Reform der Erbschaftsteuer Ein Fest für die Steuerberater

In Deutschland gilt: Wer viel hat, der muss auch viel zahlen. Eine Ausnahme ist die Erbschaftsteuer. Denn trotz der beschlossenen Reform bleibt es bei Verschonungsregeln für Unternehmen. Ein Kommentar.

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Selbst bei extrem große Erbschaften werden diese komplett von der Steuer ausgeklammert, wenn Betriebe übertragen wurden. Quelle: dpa

In Deutschland gibt es eigentlich einen kleinen gemeinsamen Nenner in der Steuerpolitik: Wer viel hat, der muss auch viel zahlen. In der Sprache der Finanzwissenschaftler heißt das: Das Steuersystem als Ganzes ist progressiv. Maßgeblich dafür verantwortlich ist die Lohn- und Einkommensteuer, bei der 10 Prozent der Steuerzahler mehr als 50 Prozent des Aufkommens erbringen – und einige von diesen sind sicher Familienunternehmer.

Eine unrühmliche Ausnahme von diesem Grundsatz ist die Erbschaftsteuer. Hier waren bislang selbst große Erbschaften komplett von der Steuer ausgeklammert, wenn Betriebe übertragen wurden. Zum Vergleich: Wenn jemand seiner Nichte überschaubare 100.000 Euro vermacht, fordert der Fiskus ohne Wenn und Aber 16.000 Euro Steuern. Und so kommt es, dass die Erbschaftsteuer dem Fiskus heute nur halb so hohe Einnahmen beschert wie etwa die jährlich anfallende Grundsteuer.

Warum das so ist, versteht eigentlich niemand, und das Bundesverfassungsgericht hatte hier Einspruch erhoben. Sicher, Unternehmer und Unternehmen sind die Basis für den Wohlstand in Deutschland. Und Steuern – ganz gleich welche – sind grundsätzlich ein Hemmnis für Investitionen und damit für Wachstum und Arbeitsplätze. Warum aber eine Erbschaftsteuer mit moderaten Steuersätzen und großzügigen Stundungsregeln ein Frontalangriff auf die Unternehmerschaft wäre, der mehr Arbeitsplätze gefährdet als die aktuellen 47,5 Prozent Einkommensteuer inklusive Soli, das bleibt wohl das Geheimnis der Verbände.

Aber immerhin: Ihr Lobbying hat sich ausgezahlt. Eine für alle Erben einheitliche Steuer wird in Deutschland nicht geben. Darauf haben sich am Montag Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und CSU-Chef Horst Seehofer verständigt. Sofern auch die in zehn Ländern mitregierenden Grünen von der großkoalitionären Erbschaftsteuerreform überzeugt werden und sie den Plan im Bundesrat mitabsegnen, wird es künftig ein kaum noch durchschaubares Geflecht aus allgemeinen Verschonungsregeln, individueller Verschonungsbedarfsprüfung und Verschonungsabschlagsmodell geben, das die Herzen vieler Steuerberater höher schlagen lassen dürfte. Man darf schon gespannt, welche Modelle sie entwickeln werden, damit für möglichst viele ihrer Mandanten daraus auch in Zukunft die totale Verschonung wird. Es wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis die Erbschaftsteuer erneut vor dem Bundesverfassungsgericht landen wird.

Denn: Wer einen erfolgreichen Betrieb erbt, wird auf einen Schlag reich. Angesichts der enormen Ungleichverteilung von Vermögen in Deutschland, die auch internationalen Organisationen wie die OECD moniert, ist es das Recht, vielleicht gar die Pflicht des Staates, einen moderaten Anteil am Vermögenszuwachs zu fordern. Unterstellt man, dass ein Betrieb alle 30 Jahre übertragen wird, entspricht dies bei einem Erbschaftsteuersatz von zehn Prozent einer jährlichen Steuer auf das geerbte Vermögen von 0,3 Prozent.

„Die Erbschaftsteuer dient nicht nur der Erzielung von Steuereinnahmen, sondern ist zugleich ein Instrument des Sozialstaats, um zu verhindern, dass Reichtum in der Folge der Generationen in den Händen weniger kumuliert und allein aufgrund der Herkunft oder persönlicher Verbundenheit unverhältnismäßig anwächst… Die Schaffung eines Ausgleichs sich sonst verfestigender Ungleichheiten liegt in der Verantwortung der Politik, nicht aber in ihrem Belieben.“ Das steht nicht etwa im Parteiprogramm der Linkspartei, sondern im Sondervotum zweier Richter des ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts – und vielleicht ist diese Ansicht ja beim nächsten Erbschafsteuerspruch aus Karlsruhe sogar mehrheitsfähig.

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