Reform Warum haben die steigenden Kassenbeiträge nur wenig mit dem Gesundheitsfonds zu tun?

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Der Fonds selbst treibt zwar auch die Kosten in die Höhe, ist insgesamt aber nur für einen kleineren Teil des Beitragsanstiegs verantwortlich: In der neuen zentralen Geldsammelstelle muss eine Liquiditätsreserve von drei Milliarden Euro angespart werden, voraussichtlich auf sechs Jahre gestreckt. Dafür müssen die Versicherten rein rechnerisch pro Jahr 0,05 Prozentpunkte mehr zahlen. Teurer könnte es für die Versicherten auch durch den bürokratischen Aufwand werden, der den Kassen durch den Fonds entsteht. Etwa, wenn sie Zusatzbeiträge bei ihren Mitgliedern eintreiben müssen. Diese werden dann fällig, wenn eine Kasse mit den Zuweisungen aus dem Fonds nicht hinkommt.

Liegt der Zuschlag bei über acht Euro, wird es kompliziert: Dann muss die Kasse sich über Einkommen und Vermögen ihres Versicherten informieren. Denn niemand darf mit mehr als einem Prozent seines Einkommens belastet werden. Sollte eine Kasse im Geld schwimmen, muss sie an ihre Versicherten eine Prämie ausschütten – auch dies ist Zusatzaufwand. Der AOK-Bundesverband schätzt, dass das neue Prämien- und Zuschlagssystem die Kassen mit bis zu 1,5 Milliarden Euro Kosten belastet. Das entspricht rein rechnerisch 0,15 Beitragssatzpunkten – und wird von der Bundesregierung als „nicht nachvollziehbar“ zurückgewiesen.

Dass der Fonds so unter Dauerbeschuss steht, hat gleichwohl andere Gründe: Er löst nicht die großen Probleme des Gesundheitswesens. Im Gegenteil: Er verhindert sogar sinnvolle Ansätze, das System besser und effizienter zu machen.

Erstens: Der Fonds gibt keine Antwort auf die Finanzierungsprobleme des Systems, das durch den demografischen Wandel und den technischen Fortschritt immer teurer wird. Weil die Beiträge an die Arbeitskosten gekoppelt sind, ist jeder Anstieg der Gesundheitskosten beschäftigungsfeindlich.

Zweitens: Im deutschen Gesundheitssystem existieren Über-, Unter- und Fehlversorgung nebeneinander, es gibt Steuerungsdefizite, Missmanagement und Qualitätsmängel. Experten sind davon überzeugt, mehr Wettbewerb unter den Leistungserbringern könnte ein Teil des Problems lösen. Die Regierung behauptet zwar, dass durch die Reform der Wettbewerb gestärkt werde, zahlreiche Experten sehen mit dem Fonds jedoch den Marsch in die staatliche Einheitsversicherung besiegelt. Zudem führen komplizierte Zusatzregelungen wie die „Härtefallklausel“ für einkommensschwache Versicherte durch Konstruktionsfehler zu Wettbewerbsverzerrungen unter den Kassen.

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