Reformpläne Unionsspitzen attackieren geplanten Linksruck der SPD

Die SPD möchte bei ihrer Klausurtagung wieder ihr linkes Profil schärfen – das kritisiert die Union und sieht damit eine Abkehr vom Koalitionsvertrag.

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„Wir verhandeln keinen neuen Koalitionsvertrag. Natürlich reden wir miteinander, aber es darf keinen ideologischen Linksruck der Regierung geben“, sagte der CSU-Vorsitzende Söder über das Grundrenten-Modell Arbeitsminister Heil. Quelle: dpa

Berlin Führende Politiker von CDU und CSU haben die geplante Neuausrichtung der SPD scharf kritisiert und ihr eine Abkehr vom Koalitionsvertrag vorgeworfen. „Die SPD plant die Beerdigung der sozialen Marktwirtschaft“, sagte der CDU-Vizevorsitzende Volker Bouffier den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Mit ihrem Wunsch, wieder Wähler zu gewinnen, hat sie sich für einen strammen Linkskurs entschieden.“

CSU-Chef Markus Söder kritisierte besonders, dass das Grundrenten-Modell von SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil nicht vom Koalitionsvertrag gedeckt ist. „Wir verhandeln keinen neuen Koalitionsvertrag. Natürlich reden wir miteinander, aber es darf keinen ideologischen Linksruck der Regierung geben.“

Der SPD-Vorstand will mit einem umfassenden Paket für eine Reform des Arbeitsmarkts, von Hartz IV und der finanziellen Leistungen für Kinder das linke Profil der Partei schärfen und aus dem anhaltenden Umfragetief wieder herausfinden. Dazu kommt die Parteiführung an diesem Sonntagnachmittag (14.00 Uhr) im Berliner Willy-Brandt-Haus zu einer zweitägigen Klausur zusammen.

In der wöchentlichen Emnid-Umfrage für die „Bild am Sonntag“ legt die SPD zwar einen Punkt zu und zieht mit den Grünen (minus eins) gleich, liegt mit 17 Prozent aber weiterhin weit abgeschlagen hinter der Union mit 30 Prozent (plus eins) und nur wenig vor der AfD mit 13 Prozent (minus zwei).

Auf der Klausur soll zunächst ein 17-seitiges Konzept mit dem Titel „Ein neuer Sozialstaat für eine neue Zeit“ beschlossen werden. Es sieht unter anderem eine Kindergrundsicherung vor, die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro, für alle Arbeitnehmer „Zeitkonten“ (für Überstunden und Fortbildungszeiten), die bei Arbeitgeberwechseln übertragbar sind. Zudem will die SPD Reformen bei der Grundsicherung, statt Hartz IV will man bis zu 33 Monate Bezug von Arbeitslosengeld I für ältere Bürger und weniger strenge Sanktionen für junge Arbeitslose.

Außerdem wollen die Sozialdemokraten ein Gesetz, das ein Recht auf die Arbeit von zu Hause einräumt („Homeoffice“). 40 Prozent der Beschäftigten könnten heute theoretisch von zu Hause aus arbeiten, betont die Partei. Nur 12 Prozent bekämen aber ihren Wunsch nach flexibler Arbeit bislang erfüllt – in Zeiten zunehmender Digitalisierung werde eine Regelung immer wichtiger.

Arbeitslosen will die SPD unter anderem durch Unterstützung beim Nachholen von Abschlüssen helfen, schneller wieder eine Beschäftigung zu finden. Bislang einzeln ausgezahlte und zu beantragende und zum Teil aufeinander anzurechnende Leistungen (Kindergeld, Kinderfreibetrag, Kinderzuschlag, Hartz IV) sollen zu einer Kindergrundsicherung zusammengefasst und bei einer Stelle beantragt werden können.

Die wegen des Umfragetiefs unter Druck stehende Partei- und Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles will mit dem Konzept eine Trendwende erreichen – es ist das bisher umfassendste Ergebnis des Erneuerungsprozesses. Weiteres Thema soll am Montag auch der anstehende Europawahlkampf sein.

Bouffier sagte: „Die SPD kann nicht Verantwortung in der Bundesregierung übernehmen und zugleich täglich Vorschläge machen, die in dieser Koalition nicht zu machen sind. So entzaubert sich die SPD vollends.“ Und: „Das ganze Land nimmt Schaden, wenn der eine Regierungspartner sich von der Grundlinie des Koalitionsvertrags absetzt und in eine andere Richtung rennen will.“

Bouffier bezog sich damit wie Söder auf die Pläne von Arbeitsminister Heil, für langjährige Beitragszahler die vereinbarte Grundrente oberhalb der Grundsicherung einzuführen – und zwar unabhängig von einer Bedürftigkeit. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD war eine Bedürftigkeitsprüfung aber ausdrücklich als Bedingung vereinbart gewesen.

Söder sagte: „Die große Koalition sollte in diesem Jahr gemeinsam regieren und nicht überwiegend Wahlkampf machen.“ Er schlug vor, über die Grundrente in der Rentenkommission „in Ruhe“ zu diskutieren – das will Heil aber nicht.

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