Regierung Wie die GroKo die Wirtschaft zahlen lässt

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"Jede Regulierung wirkt wie ein Verstärker"

Eigentlich, sagt Christoph, gehe er davon aus, dass Crespel & Deiters nun weitere zehn Jahre von der EEG-Umlage befreit sei. Aber wirklich sicher ist er sich nicht. Die Erfahrungen haben ihn skeptisch werden lassen. Seine Botschaft nach Berlin lautet: „Der Zustand des andauernden Glücks ist in den Auftragsbüchern der deutschen Wirtschaft nicht festgeschrieben.“

Politiker sagen in solchen Fällen gern, dass sie den Ärger verstehen könnten, Crespel & Deiters aber doch ein Einzelfall sei. Allerdings gibt es inzwischen Hunderttausende solcher Einzelfälle. Michael Eilfort von der Stiftung Marktwirtschaft urteilt deshalb: „Deutschland verspielt die durch die Agenda-Reformen hart erkämpfte Wettbewerbsfähigkeit wieder.“

Wer wissen will, wie es mal war und wohin die Strangulierung der Wirtschaft führt, sollte Sebastian Lazay besuchen. Der Miteigentümer der Hamburger Zeitarbeitsfirma Extra-Personalservice erinnert sich noch, wie seine Kunden in Zeiten der Finanzkrise Probleme bekamen. „Mir scheint, dass alle vergessen haben, was noch vor ein paar Jahren in diesem Land los war“, sagt Lazay, als er die Tür zum gläsernen Konferenzraum öffnet. „Wenn der nächste Abschwung kommt, wirkt jede Regulierung, die jetzt verabschiedet wird, wie ein Verstärker.“

Lazays Firma beschäftigt 25 Mitarbeiter, hat 300 Zeitarbeiter in der Kartei, erwirtschaftet sieben Millionen Euro Umsatz. Zu Zeiten von Gerhard Schröder und Peter Hartz galt sie als Hoffnungsbranche schlechthin, weil sie Arbeitslosen eine Brücke in eine Festanstellung baute. Das ist lange her. Selbst Lazay, Präsident des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister, kommt bei all den Regularien, die seiner Branche aufgedrückt würden, manchmal durcheinander. Deshalb hat er sich auf einem Zettel die wichtigsten Stichworte notiert. Sein aktuelles Lieblingsbeispiel: die Schriftformpflicht. Seit einigen Monaten müssen Personalvermittler auf jedem Zeitarbeitsvertrag dokumentieren, dass es sich auch tatsächlich um einen Zeitarbeitsvertrag handelt. Das soll Verwechslungen mit sogenannten Werkverträgen verhindern. Mit der Regel könnte Lazay noch irgendwie leben. Was ihn allerdings in Rage bringt, ist die Pflicht, den Vorgang auf Papier zu dokumentieren. Immer wieder kommt es vor, dass seine Kunden von heute auf morgen Verstärkung brauchen, das liegt in der Natur der Branche.

Lazay würde den geeigneten Zeitarbeitern aus seiner Kartei dann gerne einfach eine Mail mit dem Vertrag schicken. Aber das geht nicht. Erforderlich ist ein unterschriebener Vertrag – in Papierform. Also schickt Lazay einen seiner Mitarbeiter mit dem Auto los. Der halbe Arbeitstag ist dann weg. „In Zeiten der Digitalisierung ist das doch Wahnsinn“, sagt Lazay. Genauso wie der Equal-Pay-Fragebogen. Fünf vollgepackte Seiten mit allerlei Lücken, die seine Kunden ausfüllen müssen, damit er den Vergleichslohn einer fest angestellten Stammkraft berechnen kann. Bei einem großen Unternehmen mit vielen Mitarbeitern sei das kein Problem, sagt Lazay. Was aber, wenn es keine vergleichbare Position im Unternehmen gibt? Wenn er einen Arbeiter vermittelt, der in verschiedene Tarifverträge fällt? Wenn seine Kunden beim Ausfüllen der Bögen Fehler machen?

Am schlimmsten, sagt Lazay, sei, dass die Leidtragenden nicht nur er und sein Unternehmen seien, sondern vor allem seine Zeitarbeiter. Deshalb ist sein Urteil eindeutig: „Die Politik scheint jedes Maß dafür verloren zu haben, was man der Wirtschaft noch zumuten kann und was nicht.“



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