Regierungsbildung Das sind die GroKo-Gegner in Union und SPD

Die Parteichefs von Union und SPD sind zu Gesprächen über eine neue Große Koalition bereit. Doch insbesondere im sozialdemokratischen Lager gibt es laute Stimmen, die das Bündnis ablehnen. Wer sind die GroKo-Gegner?

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GroKo: Das sind die Gegner in Union und SPD Quelle: dpa

Berlin Der SPD-Parteivorstand hat den Weg zu Gesprächen mit der Union über eine Regierungsbildung geebnet, dem der Parteitag der Sozialdemokraten nun folgen soll. CDU-Chefin Angela Merkel und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer stehen zu Gesprächen über eine neue Große Koalition bereit. Erwartet wird, dass die Verhandlungen bis Februar dauern könnten.

Das birgt nach Einschätzung aus Parteikreisen zwei Risiken – die lange Zeit bis zur Bildung einer Regierung und die Mobilisierung der „Anti-GroKo-Kräfte“ in Union und SPD. „Ein Bündnis könnte zerredet werden, bevor es überhaupt zustande kommt“, meint der Politologe Gero Neugebauer. „Die öffentliche Debatte ist nicht unwichtig: Denn am Ende müssen etwa die SPD-Mitglieder einem Koalitionsvertrag zustimmen“, sagt er. Und es gibt bereits jetzt stärkere Kräfte als 2013, die gegen eine Neuauflage dieses Bündnisses arbeiten.

Die prinzipiellen Gegner in Union und SPD

Sowohl in der Union als auch in der SPD gibt es prinzipielle Ablehner einer Großen Koalition. Auf SPD-Seite sind dies etwas die Jusos, die Jugendorganisation der Partei. Auf ihrem Kongress machten sie bereits gegenüber Parteichef Martin Schulz ihre Ablehnung deutlich. Die Jusos haben eine Kampagne gestartet, in dem sie schon jetzt zu einem Nein beim Mitgliederentscheid auffordern – ungeachtet der ausgehandelten Inhalte. Denn Juso-Chef Kevin Kühnert hält eine Große Koalition für grundsätzlich falsch.

Politologe Neugebauer teilt diese Einschätzung: „Eine Große Koalition schadet der SPD, weil sie keine alternative Machtperspektive entwickeln und sich nicht programmatisch grundlegend erneuern kann.“ Denn die erhoffte Annäherung an Grüne und Linkspartei in der Opposition wäre dahin. Diese grundlegende Skepsis teilen Spitzen-Politikerinnen wie die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die aus strategischen Überlegungen eher die Vorzüge einer Minderheitsregierung hervorheben.

Prinzipiellen Widerstand gibt es aber auch in der Union. Hier läuft der Wirtschaftsflügel Sturm gegen eine Neuauflage des Bündnisses mit der SPD und warnt vor zunehmender Konturlosigkeit. „Betrachten wir die Maximalforderungen der SPD in der Sozialpolitik, aber auch die von ihr geforderte weitere Aufweichung der bisherigen Linie Wolfgang Schäubles in der Europapolitik ... würde die Große Koalition auf jeden Fall langfristig teurer als eine Minderheitsregierung“, sagt Wolfgang Steiger, Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates. Er warnt vor enormen finanziellen Lasten für Generationen, falls sich die SPD mit ihrer Renten- und Europapolitik durchsetzen sollte. Je deutlicher Zugeständnisse von Merkel und Seehofer sichtbar würden, desto schärfer dürfte die Kritik ausfallen.

CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn hat zudem mehrfach gewarnt, eine weitere Koalition mit der SPD werde die politischen Ränder in Deutschland weiter stärken.

Die Ambitionierten in der Union

Es gibt einen Kreis von Politikern etwa in der Union, die noch aus einem anderen Grund eine Minderheitsregierung attraktiv finden. Denn für jüngere CDU-Politiker wie Spahn oder den Chef der Unions-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, könnte sich die Chance auf einen schnelleren Aufstieg in Ministerämter bieten. In einer Minderheitsregierung würden alle Ministerposten mit Unions-Politikern besetzt. Beide Politiker stellten sich am Wochenende zwar anders als früher nicht strikt gegen Gespräche mit der SPD. Aber Spahn warf der SPD am Wochenende zugleich „alte Träumereien und zum Teil esoterische Themen“ vor.

Dass eine möglicherweise chaotisch verlaufende Minderheitsregierung dem Image von Kanzlerin und CDU-Chefin Merkel schaden könnte, gilt zudem als vielversprechende Aussicht für ihre innerparteilichen Kritiker. Auch bei der SPD gibt es solche persönlichen Überlegungen. Denn Neugebauer glaubt, dass die Bildung einer Großen Koalition etwa die Position von Parteichef Schulz erst einmal wieder stärken würde. Daran haben aber nicht alle in der SPD Interesse.


Die Betroffenen in den Ländern

Es gibt noch eine dritte Gruppe von Politikern, die eine Große Koalition skeptisch sehen. Zu diesen gehört etwa Natascha Kohnen, designierte SPD-Vize und bayerische Landesvorsitzende. Der Grund sind die im Freistaat anstehenden Landtagswahlen 2018. Die CSU hatte mit Blick darauf eine Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP als problematisch angesehen. Kohnen fürchtet nun aus denselben Gründen die Große Koalition in Berlin. Denn sie will als derzeit noch stärkste Oppositionspartei in Bayern die CSU hart angreifen. Das wird aber schwieriger, wenn die CSU gleichzeitig Koalitionspartner auf Bundesebene wäre.

Dasselbe Argument gilt für SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel. Er muss sich im Herbst 2018 in Hessen ebenfalls Landtagswahlen stellen - gegen einen CDU-Ministerpräsidenten, der mit den Grünen regiert und Partner einer Großen Koalition im Bundesrat wäre.

Neugebauer glaubt allerdings nicht, dass eine lange Phase bis zur Koalitionsbildung den GroKo-Gegnern Zulauf bescheren würde. „Wahrscheinlich wird es eher so sein, dass vor allem der SPD in den Medien vorgeworfen werden wird, sie schüre Instabilität, schade Deutschlands Rolle in der EU und steuere auf Neuwahlen zu, wenn sie nicht zustimmt“, sagt er.

Unterstützung bekommen die GroKo-Kritiker derweil von dem Präsidenten des deutschen Mittelstandsverbands BVMW, der will lieber die FDP in der Regierung sehen, als die Sozialdemokraten. „Was die SPD jetzt fordert, geht in der Gesundheits-, Renten-, Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik in die vollkommen falsche Richtung und wird für Deutschland teuer“, sagte der Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), Mario Ohoven, am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters in Berlin.

Der Ausstieg der FDP aus den Sondierungsgesprächen mit CDU, CSU und Grünen nannte Ohoven konsequent, er sei aber fast schon zu spät gekommen. „Die Mehrheit der Mittelständler wäre trotzdem dafür, dass es einen zweiten, solideren Versuch für Jamaika geben sollte“, sagte der Verbandschef.

Ohoven warnte, die Unternehmen beklagten schon heute die fehlende Planungssicherheit in der Gesetzeslage. Die Mittelständler wollten investieren, dazu seien sie aber auf verlässliche politische Rahmenbedingungen angewiesen. Angesichts von Brexit, Russland-Sanktionen, EU-Schuldenkrise werde von Deutschland Führungsstärke erwartet. „Deshalb muss die Kanzlerin endlich bei der Regierungsbildung aufs Tempo drücken: Wir brauchen jetzt eine handlungsfähige Regierung, und nicht erst Ostern 2018“, mahnte Ohoven.

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