
Der Mindestlohn gefährdet die Wirtschaft, Mütter- und Geringverdienerrente belasten die Haushalte irreversibel und die Mietpreisbremse ändert nichts am Wohnungsmangel in Ballungsräumen. In den vergangenen Tagen und Wochen wurde das Programm der Großen Koalition vielfach und zu Recht kritisch beäugt, auch von WirtschaftsWoche Online. Viel erwartet wird von der neuen Merkel-Regierung nicht mehr. Es ist eine Chance für Schwarz-Rot, die Bürger (und Medien) positiv zu überraschen. Was müsste dafür passieren und hat Merkel die Kraft dazu?





Die Große Koalition hat in den Verhandlungen das Kleine über das Große gestellt, sprich: statt sich Gedanken über die Leitlinien der kommenden Jahre zu machen, sprach man über Detailfragen. Siehe Pkw-Maut. Ob die Autobahngebühr für ausländische Fahrer kommt oder nicht, ist unerheblich. Die Einnahmen sind zu gering, um die Infrastruktur fit für die Zukunft zu machen. Es ist Symbol- und Klientelpolitik.
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Deutschland braucht vielmehr eine Vision, wie es seinen Wohlstand mehren und seine wirtschaftliche Stärke nutzen will, um das Land und Europa nach vorne zu bringen. Angela Merkels Ziel für die kommenden Jahre ist es nach eigenen Worten, „dass Deutschland 2017 besser dasteht, als heute“. Wie sie das schaffen will, sagt sie nicht. Dieses Ziel zu erreichen, wäre wahrlich eine große und wichtige Aufgabe für eine Große Koalition.
Wie es jetzt mit der Regierungsbildung weitergeht
In einer gemeinsamen Sitzung in München wollen CSU-Vorstand und -Bundestagsgruppe den Vertrag billigen
Geplante Abstimmung der knapp 475.000 SPD-Mitglieder
Ein kleiner CDU-Parteitag (Bundesausschuss) soll in Berlin über den Vertrag abstimmen
Die Briefe der SPD-Mitglieder werden - von der Post in Urnen versiegelt - aus ganz Deutschland nach Berlin gebracht
Hunderte Helfer zählen die Briefe aus. Bis zum Abend soll das Ergebnis vorliegen
Bei einer Zustimmung könnte Angela Merkel (CDU) im Bundestag zum dritten Mal zur Kanzlerin gewählt werden. Das neue schwarz-rote Kabinett würde am selben Tag die Arbeit aufnehmen.
Denn machen wir uns nichts vor: Deutschlands Wirtschaftsstärke ist nicht gottgegeben, sondern das Resultat wichtiger Strukturreformen in den Schröder-Jahren, solider Unternehmen und gut ausgebildeter Arbeitskräfte. Diesen Zustand gilt es zu verteidigen. Die Regierung muss den Arbeitgebern gute Rahmenbedingungen fürs Wirtschaften bereitstellen und die Ausbildung der Jugendlichen stärker forcieren. Dass in einigen Städten mehr als zehn Prozent der Schüler ohne einen Abschluss die Schule verlassen ist ein Unding – und eine Belastung für den Wirtschaftsstandort. Die Regierung wäre gut beraten, die Reformen der Agenda 2010 nicht wie im Koalitionsvertrag zurückzudrehen, sondern neu auszutarieren. Es spricht nichts dagegen, Menschen, die 45 Jahre gearbeitet haben, schon mit 63 Jahren den Weg in den Ruhestand zu ebnen. Sehrwohl spricht etwas dagegen, mit der Einführung des Mindestlohnes, dem Zurückdrängen der Leiharbeit und neuen Besteuerungsmodellen die Flexibilität der Unternehmen einzuschränken.