Regierungserklärung Die wichtigsten Punkte in Merkels Rede

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gibt im Bundestag ihre erste Regierungserklärung nach ihrer Wiederwahl zur Regierungschefin ab. Quelle: dpa

Islam, Handelsstreit, stärkerer Zusammenhalt - in ihrer fast einstündigen Regierungserklärung steckt Angela Merkel die Ziele der Großen Koalition ab.

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Ein stärkerer Zusammenhalt der Gesellschaft und die technologische Erneuerung Deutschlands müssen nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel zentrale Ziele der großen Koalition bis 2021 sein. "Ich bin überzeugt, Deutschland kann es schaffen - und Deutschland, das sind wir alle", sagte die CDU-Chefin am Mittwoch in ihrer fast einstündigen ersten Regierungserklärung ihrer vierten Amtszeit. Merkel rechtfertigte dabei nicht nur ihre umstrittene Flüchtlingspolitik nach 2015, sondern stellte sich in den Debatten über Islam und Verteidigungsausgaben auch deutlich gegen Innenminister Horst Seehofer (CSU) und den früheren Außenminister Sigmar Gabriel (SPD). Scharfe Kritik übte die Kanzlerin an Russland und der Türkei wegen der Entwicklungen in Syrien.

Die Arbeit des Bündnisses aus CDU, CSU und SPD beschrieb Merkel mit drei großen Klammern. Erstens müsse die Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft bis 2021 abgebaut werden. Dies betreffe nicht nur die Spaltungen zwischen Alt und Jung, Stadt und Land sowie Arm und Reich, sondern auch zwischen Menschen, die seit langem in Deutschland lebten sowie Flüchtlingen und Zugewanderten. Zugleich verwies sie auf eine Fülle von Projekten, mit denen die Regierung in den Bereichen wie Rente, Pflege, Gesundheit und Kinderbetreuung die Situation von Betroffenen verbessern wolle. "Kinderarmut in einem reichen Land wie Deutschland ist eine Schande. Und wir müssen sie mit aller Kraft bekämpfen", sagte sie.

Zweitens sei eine neue wirtschaftliche und technologische Dynamik nötig, um Wohlstand auch in Zukunft zu erhalten und Sozialprogramme finanzieren zu können. Ziel müsse die Vollbeschäftigung bis 2025 sein. Damit ging die CDU-Chefin über den Koalitionsvertrag hinaus, der keine Jahreszahl nennt. Bis 2025 sollten auch die Forschungs- und Entwicklungsausgaben auf 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung erhöht und ein digitales Gigabitnetz ausgebaut werden.

Drittes Element sei die Rolle Deutschlands in der EU und der Außenpolitik. Wenn es einen Fehler in der Flüchtlingskrise gegeben habe, dann die Hoffnung, dass der Krieg in Syrien Europa und Deutschland nicht berühre. Dies sei "im Rückblick naiv" gewesen, räumte Merkel ein. "Außen- und Innenpolitik sind nicht zu trennen." Merkel betonte deshalb, dass die EU im Juni Beschlüsse über die Fortentwicklung der Euro-Zone und über ein gemeinsames Asylsystem treffen werde. Fortschritte seien auch in der gemeinsamen Verteidigungs- und Forschungspolitik nötig. Mit Großbritannien werde die EU künftig ein "sehr tiefgehendes Freihandelsabkommen" anstreben.

Merkel setzte sich in der Islam-Debatte erneut deutlich von CSU-Chef Seehofer und dessen Äußerung ab, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre. Zwar sei das Land vor allem christlich-jüdisch geprägt. Mit Blick auf die 4,5 Millionen Muslime fügte Merkel aber hinzu, "dass ihre Religion inzwischen ein Teil Deutschlands geworden ist".

von Thomas Schmelzer, Benedikt Becker, Sven Böll, Max Haerder, Christian Ramthun, Cordula Tutt

Ähnlich deutlich war sie bei den Verteidigungsausgaben und dem früheren Widerstand der SPD gegen die Selbstverpflichtung der Nato-Staaten, die Verteidigungsausgaben bis 2024 Richtung zwei Prozent der eigenen Wirtschaftsleistung zu erhöhen. Deutschland müsse ein verlässlicher Partner in EU und Nato sein, mahnte sie. Im Koalitionsvertrag hätten sich die drei Parteien deshalb zu den finanziellen Beiträgen der Nato und der Erhöhung der Entwicklungsausgaben bekannt, betonte Merkel. Sie wies die Äußerung des früheren Außenministers Gabriel zurück, dass Deutschlands Nachbarn Angst vor einer Aufrüstung hätten. Sie wolle ein "Geheimnis" verraten, sagte Merkel: Es gebe in der EU und der Nato kein einziges Land, das Angst vor steigenden Militärausgaben Deutschlands habe.

Sehr kritisch ging die Kanzlerin mit den USA, Russland und der Türkei ins Gericht. Zu den US-Strafzöllen sagte sie, dass die EU notfalls gerüstet sei, entschlossen zu antworten. "Digitalisierung und Abschottung vertragen sich sehr schlecht. Das 21. Jahrhundert ist das Jahrhundert multilateraler Lösungen und multilateraler Organisationen", sagte Merkel und nannte die US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium "rechtswidrig".

Russland und die Türkei kritisierte Merkel vor allem wegen des Vorgehens in Syrien und des Gift-Anschlags in Großbritannien. "Viele Hinweise deuten auf Russland hin", sagte sie zu dem Anschlag. Deshalb sei Transparenz Moskaus gefragt, um den Verdacht auszuräumen. "Aufs Schärfste" verurteile die Bundesregierung zudem die Bombardierung in Syrien sowohl durch die Türkei in Afrin als auch die syrische Regierung in Ost-Ghuta. Dies gelte "auch Russland, das diesem zusieht".

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