Regierungserklärung von Merkel „Migration kann zur Schicksalsfrage für die Europäische Union werden“

Angela Merkel: Asylstreit gefährdet den Zusammenhalt in der EU Quelle: AP

Die Kanzlerin räumt ein: Ja, die Lage ist ernst. Eine große Lösung wird es wohl nicht geben. Sie will kleine Schritte gehen, zusammen mit den „willigen“ EU-Staaten. Der Stuhl ihres Kontrahenten Seehofer bleibt leer.

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Der Streit um die Asylpolitik gefährdet nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Zusammenhalt in der EU. Die Migration könnte zu einer „Schicksalsfrage für die Europäische Union werden“, sagte die Kanzlerin am Donnerstag im Bundestag in einer Regierungserklärung vor Beginn des EU-Gipfels in Brüssel. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) fehlte während Merkels Erklärung auf der Regierungsbank.

Seehofer will im Juli anordnen, dass Asylbewerber, die in anderen EU-Staaten schon registriert wurden, an der deutschen Grenze abgewiesen werden. Auf diese Maßnahme zur Begrenzung der Zuwanderung will die CSU nur verzichten, falls Merkel beim EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag eine europäische Vereinbarung zur Asylpolitik erreicht, die unter dem Strich den gleichen Effekt hätte.

Merkel dämpfte jedoch die Erwartungen an das Gipfeltreffen. Sie sagte, die EU-Staaten seien noch nicht bereit, sich auf ein gemeinsames europäisches Asylsystem zu einigen. In fünf von sieben Kernfragen zur Migrationspolitik herrsche zwar inzwischen weitgehend Einigkeit. Probleme gebe es aber noch bei der Einführung gleicher Standards bei der Bearbeitung von Asylanträgen und in der Frage der „solidarischen Verteilung von Migranten und Flüchtlingen“.

Deshalb sei es sinnvoll, jetzt schon eine „Koalition der Willigen“ zu bilden. Diese solle sicherstellen, dass sich der Schutzsuchende, „in Europa nicht das Land aussuchen“ kann, in dem er seinen Asylantrag stellt. Sie schlägt vor, afrikanischen Staaten mehr Studienplätze und Arbeits-Visa anzubieten, damit nicht mehr so viele ihr Leben auf Schlepperbooten riskieren.

Merkel rechtfertigte erneut ihre Entscheidung vom September 2015, Asylbewerber an der Grenze nicht zurückzuweisen. „Das halte ich im Rückblick auch nach wie vor für richtig“, betonte sie. Sie habe damals auch nicht alleine gehandelt, wie manche behaupteten, sondern in Absprache mit den Regierungen von Ungarn und Österreich.

Gleichzeitig räumte die Kanzlerin Handlungsbedarf im Umgang mit abgelehnten Asylbewerbern ein. Sie verwies auf die Tötung der 14-jährigen Susanna aus Mainz sowie auf die Schwierigkeiten bei der Abschiebung eines mutmaßlichen Ex-Leibwächters von Al-Kaida-Anführer Osama bin Laden.

Merkel appellierte an die Ministerpräsidenten der Länder, sich in der Frage der geplanten Asyl- und Abschiebezentren nicht querzustellen. Die sogenannten Ankerzentren sind eine zentrale Forderung der CSU, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurde.

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