Regierungserklärung von Sigmar Gabriel Wenig diplomatisch, der künftige Bundesaußenminister

Seite 2/2

Wirtschaftspolitik? Wahlkampf!

Wie eine Rückkehr des Wachstums für Alle konkret zu schaffen wäre, ließ Gabriel allerdings offen. Natürlich versäumte er nicht den Rückblick auf Mindestlohn und eine Million neue Arbeitsplätze. Aber wird das die Tendenz der Spreizung bei Löhnen, geschweige denn Vermögen, umkehren? Gabriel redet von bevorstehenden staatlichen Investitionen in die Infrastruktur und Bildung. Ja, das wird die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt befördern. Aber werden davon die Lohnempfänger in der unteren Hälfte der Gesellschaft mehr profitieren als die in den oberen Schichten? Wohl kaum.

Letztlich hat Gabriel offenbar genauso wenig wie seine gesamte Partei eine schlüssige Antwort darauf, wie „inklusives Wachstum“ aussehen soll. Sein stärkstes Anliegen war ohnehin ein anderes. Statt visionärer Wirtschaftspolitik verlegte er sich lieber auf die Identifikation des Gegners für den kommenden Wahlkampf. In der guten alten Zeit von Brandt und Wehner war das mal die CDU. Doch die sieht Gabriel in bestem Managerdeutsch nur als „Wettbewerber“. In seinem Ruf nach Anstand und Respekt im Wahlkampf klang schon eine mentale Vorbereitung auf die Fortsetzung der großen Koalition an.

Aber, so Gabriel, „da kommen welche, die sich uns zum Feind gemacht haben." Ohne sie beim Namen zu nennen, machte Gabriel die AfD als gemeinsamen Feind all derer aus, die ihm im Bundestag zuhörten. Die Polarisierung und Politisierung, das machte Gabriels Rede nochmal überdeutlich, findet nicht zwischen den im deutschen Bundestag vertretenen Parteien statt, sondern gegen diese. Die Gegner sind all jene in Deutschland und dem Rest der Welt, die das „Auseinanderfallen des größten Zivilisationsprojektes des 20. Jahrhunderts - nämlich der Europäischen Union“ befördern.

"Nach Großbritannien und den USA würden uns weitere Partner verloren gehen", so der künftige Bundesaußenminister, wenn bei den Wahlen in den Niederlanden und in Frankreich den Europafeinden nach dem Brexit weitere Erfolge gelingen. „Man kann die Lage gar nicht dramatisch genug empfinden“. Das europaorientierte und auf internationale Kooperation setzende Deutschland wäre nach Gabriels Worten dann isoliert und einsam.

Richtig gelesen. Der künftige Bundesaußenminister sieht Großbritannien und die USA als „verlorene Partner“ an. Auf ein versöhnliches Wort des demnächst obersten Diplomaten des Landes gegenüber der mächtigsten Regierung der Welt in Washington wartete man vergeblich.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%