Regierungsklausur auf Schloss Meseberg Was von den Meseberg-Versprechen zu halten ist

Bundesfinanzminister Christian Lindner gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck der letztjährigen Klausurtagung des Bundeskabinetts auf Schloss Meseberg. Quelle: imago images

Die Ampel tagt auf Schloss Meseberg. Zu besprechen gibt es genug und neue Versprechen werden sicher kommen. Allerdings zeigt der WiWo-Check: Von der jüngsten Schloss-Klausur sind noch viele Zusicherungen offen.

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In der Regierung läuft’s. Weil es bei Robert Habeck läuft. Okay, in Wahrheit läuft nur Robert Habeck. Und zwar nach Meseberg. Aber das ist ja immerhin schon was: Der grüne Vizekanzler und Wirtschaftsminister erklimmt im Joggingdress die Stufen des Gästehauses der Bundesregierung im Brandenburgischen. It’s the Inszenierung, stupid.

Regierungsklausuren auf Schloss Meseberg sind natürlich nie immer nur Koalitions-Klassenfahrten, auf denen diskutiert, entschieden und das eine oder andere Glas Wein am Kamin getrunken wird. Mindestens so wichtig wie das Beisammensein des Kabinetts sind natürlich die Bilder vom Beisammensein: Seht her, es wird regiert!

Beim vorerst letzten Beisammensein im Schloss Ende August 2022 hatte sich der Kanzler noch sehr darüber gefreut, dass es keine Durchstechereien an die Presse gab. Das wurde diesmal bereits im Vorfeld der Klausur erledigt. Habeck und Finanzminister Christian Lindner lieferten sich ein Briefduell um den Bundesetat, das so packend war, dass man als Zuschauer nur nach mehr Popcorn rufen konnte – in der Hoffnung auf Staffel 2.

Aber Olaf Scholz? Demonstriert lieber das, was er am besten kann: Ruhepuls. Man wolle in Meseberg „ein paar grundsätzliche Fragen miteinander besprechen, die für die Zukunft unseres Landes ganz, ganz bedeutend sind“, sagte er am Sonntag zum Auftakt in der ihm eigenen Nüchternheit. Fragen, von denen er glaube, „dass es sich lohnt, sie einmal mit ein bisschen mehr Ruhe zu verhandeln“.

Nur dass das mit der Ruhe von anderen eben ganz anders gesehen wird. Streitfragen gibt es gerade jedenfalls mehr als genug: der Streit um den Haushalt ist die zentrale. Weitere sind der Krach um den Verbrennungsmotor oder die Kindergrundsicherung, um Heizungsverbote und Autobahnbau. Es sei „völlig normal, dass über diese vielen Schritte, die dazu gehören, sehr intensiv diskutiert wird“, sagte Scholz am Sonntag dazu auf Nachfrage, „weil es ja einfach ist, nichts zu tun und die Augen vor den Herausforderungen der Zukunft zu verschließen“.

Gut gesagt, zugegeben. Doch solche schönen Worte gab es auch schon bei der letzten Klausur – und meist folgten wenig Taten. Was die Regierungsspitze also Ende August 2022 versprach – und was seitdem (eher nicht) passiert ist. Der WiWo-Check:

Rüstung

Ich weise noch einmal darauf hin, dass wir ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro auf den Weg gebracht haben, um sicherzustellen, dass wir all die Anforderungen erfüllen können, die für eine sichere Zukunft unseres Landes erfüllt werden müssen.

Olaf Scholz


Die gute Nachricht: Mittlerweile steht das Sondervermögen tatsächlich im Grundgesetz. Die schlechte: Bislang ist nur ein Bruchteil des Geldes abgeflossen. Und wichtige Posten, wie etwa die Munition der Truppe, fehlen darin völlig.

Immerhin scheint unter dem neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), für den es die erste Meseberg-Klausur ist, Bewegung in die Sache zu kommen. 30 Milliarden Euro seien mittlerweile vertraglich gebunden, teilt das Verteidigungsministerium mit. Beispiele seien die Vollausstattung von Soldatinnen und Soldaten, die Bewaffnung von Drohnen und der US-Tarnkappenbomber F-35, den die Regierung beim US-Hersteller Lockheed Martin einkauft. Auch beim neuen schweren Transporthubschrauber der Truppe sollte bis April ein Angebot zu erwarten sein.

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Dennoch fordert Pistorius gerade noch mehr Geld aus dem Haushalt: Munition, Infrastruktur, Waffenlieferungen an die Ukraine – all diese Lücken lassen sich allein durch das Sondervermögen kaum stopfen. Zumal der Haushalt 2022 und 2023 nicht gewachsen ist, und Expertinnen von einer Deckungslücke von rund 25 Milliarden Euro ausgehen. Dazu kommen belastende Tarifsteigerungen beim Personal und die Inflation. Trotzdem lässt sich der Ruf nach noch mehr Finanzmitteln aktuell nur schwer gegenüber der Öffentlichkeit (oder dem grünen Koalitionspartner) durchsetzen, schließlich bekommt die Bundeswehr bereits jetzt den zweitgrößten Anteil aus dem Haushalt.

Pistorius wiederholt deshalb ein Jahr nach der Zeitenwende in Berlin immer wieder eine alte Warnung: „Wir haben keine Streitkräfte, die verteidigungsfähig sind.“ Mit anderen Worten: Sichergestellt ist leider noch gar nichts. Und nun soll sich Christian Lindner einen Ruck geben.

Gasumlage

Deswegen muss man jetzt hart an dem Problem arbeiten. Und das tun wir auch. Wir werden dieses Problem lösen.

Robert Habeck


Zum Ende des vorigen Sommers stand Robert Habeck schwer in der Kritik wegen der geplanten Gasumlage. Die sollte angesichts stark gestiegener Brennstoffpreise große Gasimporteure stützen. In der Regierung kritisierten auch SPD und FDP, der Plan sei voller „handwerklicher Fehler“. Privathaushalte und Industrie sollten die Umlage zahlen. Davon hätten aber auch Firmen profitiert, denen es wirtschaftlich gut ging.

Ende August sagte Habeck zu, hier zu korrigieren. Gelöst wurden die Ungereimtheiten später, indem die Umlage ganz kassiert wurde. Und Uniper, der größte Gasimporteur, wurde verstaatlicht.

Auf der Verbraucherseite sollen nun Gas- und Strompreisbremse Preisspitzen abfedern. Der Staat zahlt zur Entlastung: Ab März nun sind Preise für Strom und Gas für private Haushalte sowie kleine und mittlere Firmen in gewissem Umfang gedeckelt, für Januar und Februar ist eine rückwirkende Entlastung geplant. Für große Industrieverbraucher greift die Gaspreisbremse seit Jahresbeginn. Allerdings: Ob das komplizierte System beide Ziele erreicht – Sparanreize setzen und Ausgaben des Staates überschaubar halten – ist noch offen.

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