Reichtum in Deutschland „Wir fragen auch nach Lotteriegewinnen“

Stefan Liebig Quelle: DIW Berlin/Florian Schuh

Ein neues Forschungsprojekt will eine gravierende Datenlücke beheben – und tiefere Erkenntnisse über Deutschlands Reichenhaushalte gewinnen. Soziologe Stefan Liebig erklärt, wie das funktionieren soll.

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WirtschaftsWoche: Professor Liebig, in Deutschland gibt es viele Daten über die Armen, aber nur wenig Erkenntnisse über sehr wohlhabende Haushalte. Das wollen Sie und das SOEP ändern und ein großes Befragungspanel für Reichenhaushalte aufbauen. Wie weit sind Sie mit dem Projekt?
Stefan Liebig: Die ersten Befragungen laufen schon. Wir wollen insgesamt 2000 Teilnehmer bis zum Jahresende akquiriert haben, derzeit sind es über 1500. Wenn alle Interviews gelaufen sind, müssen die Daten aufwändig aufbereitet werden. Die Ergebnisse fließen in den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung ein, der in der zweiten Jahreshälfte 2020 erscheinen soll. Anschließend sind die Daten für die Wissenschaft freigegeben.

Wie haben Sie die Leute gefunden?
Wer sehr viel Geld hat, legt es häufig nicht nur in Wertpapieren oder Immobilien an, sondern auch in Unternehmensbeteiligungen. Wir haben aus weltweiten Datenbanken und Unternehmensregistern – natürlich unter strenger Wahrung des Datenschutzes – rund 1,5 Millionen Personen aus Deutschland herausgefiltert, die nennenswerte Firmenanteile besitzen. Aus diesem Datenpool kommen per Zufallsauswahl die genannten 2000 Personen.

Und was wollen Sie von den Reichenhaushalten, die zur Teilnahme bereit sind, genau wissen?
Wir fragen insgesamt zehn Vermögenspositionen ab. Das geht von Wertpapieren und Immobilien bis hin zu teuren Kunstgegenständen. Es gibt sogar eine Frage zu Lotteriegewinnen. Die Schulden werden dann gegengerechnet. So kommen wir zum Nettovermögen, der entscheidenden Größe. Wir hoffen auf wichtige Erkenntnisse zur Vermögenskonzentration, zur Vermögensgenese und zu den Persönlichkeitsmerkmalen und Aktivitäten der Top-Vermögenden.

Warum machen sehr Wohlhabende mit meist knappen Zeitbudget bei einer solchen Befragung mit? An den zehn bis 50 Euro Teilnahmebonus, den Sie zahlen, kann es bei Millionären ja kaum liegen.
Ich glaube, die Leute wollen zum einen der Wissenschaft etwas Gutes tun und die Forschung unterstützen. Diese Haltung befördern wir traditionell im SOEP, indem wir die Interviewpartner regelmäßig informieren, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse aus den Umfragen gewonnen wurden. Es geht den neuen Panelteilnehmern aber auch darum, sich in die gesellschaftspolitische Debatte einzumischen. In Deutschland ist „der Reiche“ ja oft ein Feind- und Zerrbild. Da gibt es bei vielen Wohlhabenden den Impuls, dem etwas entgegenzusetzen und darzulegen, dass man seinen Wohlstand durch harte Arbeit und gute Ideen gesichert hat.

Und wer stellt die Fragen?
Wir arbeiten im SOEP mit dem Institut Kantar zusammen. Unser Konzept sieht vor, dass über die Jahre ein Haushalt wenn möglich stets vom gleichen Interviewer besucht wird. Das soll auch beim neuen Reichenpanel so laufen. Wir haben im SOEP traditionell eine sehr geringe „Panelmortalität“, wie es so schön heißt. Es steigen also nur wenig Personen mittendrin aus. Und das liegt eben auch daran, dass Befragte zu ihren Interviewern eine gewisse persönliche Beziehung aufbauen. Da gibt es viele Geschichten – in einem Fall haben die Interviewpartner sogar geheiratet.



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