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Glencore, gib uns Sonnenstrom!

Hauke Reimer
Hauke Reimer Stellvertretender Chefredakteur WirtschaftsWoche

Es hilft nicht, fossile Energie weltweit abzuschalten. Sie wird noch gebraucht – und bringt Geld, mit dem sich saubere Technik schneller finanzieren ließe.

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Für Grüne, deren Fraktionsvize kürzlich Armin Laschet für Hitzetote in Kanada verantwortlich machte, dürfte der Mann so etwas wie der Leibhaftige sein: Ivan Glasenberg, der viele Jahre den weltgrößten Rohstoffhändler Glencore führte. Wo der auftritt, wird es schmutzig: Umwelt, Menschenrechte, Korruption. Der steuervermeidend schweizerische Konzern ist vor allem in Entwicklungsländern aktiv. Da liegen die Rohstoffe, und die Gesetze bieten, sagen wir: Spielraum. Auch wenn der Konzern seit dem Börsengang vor zehn Jahren zahmer wurde, hinterlässt Glasenberg offene Rechtsverfahren.

Und: die größte Kohlemine der Welt. In seinen letzten Tagen im Job hat er BHP und Anglo American aus der Kohlegrube El Cerrejón in Kolumbien herausgekauft, für keine halbe Milliarde Euro. Die zwei Minenriesen, getrieben von klimabesorgten Investoren, wollten die CO2-Schleuder loswerden. Glasenberg kauft billig, signalisiert Investoren: Auch ihr ändert nichts daran, dass ärmere Länder Hunger auf Kohle haben. Wir stillen ihn. Wenn nicht wir, tun es andere. Wer eine Mine oder Minenaktie verkauft, senkt damit nicht den Kohleverbrauch.

Eher riskiert er, dass jemand anderes sie länger offen hält, der sich noch weniger um CO2-sparende Produktion oder Renaturierung schert. Das Kohle- und Ölgeschäft schnell aufzugeben und die Produktion von Diesel- und Ottomotor gleich dazu hilft nicht. Denn Geld für Investitionen in sauberere Technik und – siehe Kanada oder die Erdrutsche in Japan – zum Schutz vor Folgen des Klimawandels muss verdient werden.



Auch deshalb wird VW noch SUVs bauen. Weltweit arbeiten um die 2500 Kohlekraftwerke, 1000 sind in Vorbereitung. Der Kohlepreis läuft auf ein Allzeithoch zu, Öl ist teuer wie seit Jahren nicht. Selbst in Deutschland mit dem teuersten Strom der Welt, wo die Industrie für eine Tonne CO2 zehnmal so viel zahlt wie die in China, hat Kohle wieder die Windkraft überholt. Das heißt nicht, dass wir uns keine ehrgeizigen Klimaziele setzen und keine Energie sparen sollten. Aber es klafft eine Lücke zwischen Marktrealität und Wahlprogrammen. Selbst bei Glencore wissen sie, dass sie raus aus der Kohle müssen.

Die Produktion ist gedeckelt, Glasenbergs Nachfolger soll bis 2035 Emissionen um 50 Prozent verringern. Chefaufseher, auch ein Signal, wird ein Spezialist für Batteriemetalle. Der Konzern liefert alle Stoffe der Energiewende: Kupfer, Kobalt, Nickel, Zink. Und wenn Glencore sich, so wie einst auf Kohle, auf neue Energie stürzt, könnten sie der größte Produzent von Sonnenstrom werden. Gerade in den unsicheren Ecken der Erde – da kennen sie sich aus.

Mehr zum Thema: Die Hitzewelle an Amerikas Westküste setzt nicht nur Mensch und Natur zu, sondern auch den Solaranlagen. Sie büßen deutlich an Leistung ein, je wärmer es wird. Stellt das am Ende gar die erneuerbare Energiewelt infrage?

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