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Verzweifelte Volksbeglücker

Hauke Reimer
Hauke Reimer Stellvertretender Chefredakteur WirtschaftsWoche

Die Regierungsparteien überbieten sich mit Wohltaten. Weil die vorhersehbar nicht wirken wie gewünscht, schleifen sie Fundamente der Marktwirtschaft.

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Die Ampel-Politik ähnelt fatal der in der EU. Interessen gehen auseinander, Einigkeit lässt sich nur im Verteilen von Wohltaten erzielen, auf Kosten der Steuerzahler: Lässt du mir mein Neun-Euro-Ticket, bekommst du deinen Tankrabatt. Zusammen kostet das mehr, als der Bund für Hochschulen und Wissenschaft ausgibt. Die Wirtschaft wird derweil weiter in eine schlecht vorbereitete Transformation getrieben.

Von Großleitungen, mit denen Windstrom nach Süden geleitet werden soll, ist nichts zu sehen, außer Plakaten gegen „Monstertrassen“. Die Ampel aber hält einseitig an Wind und E-Auto fest – Alternativen wie Atom und Verbrenner für E-Fuels werden ausgeschlossen: Der Staat weiß ja besser als der Markt, wo die Reise hingeht. Ähnlich stur wurde die Inflation ignoriert, die für sie verantwortliche EZB, die vor allem verschuldete Staaten vor hohen Zinsen schützen wollte, galt als sakrosankt.

Jetzt, nachdem Putins Krieg das deutsche Energiedesaster offengelegt hat, werden die Narrative zusammengeführt: Der Krieg und die rückständige Energiewirtschaft sind schuld an den Preisen, es kursiert die Mär von der fossilen Inflation. Nun überbieten sie sich in Schnellschüssen, um dem Volk sein Los zu erleichtern; möglichst allen, nicht nur denen, die es nötig haben: So regnen dann Tickets, Rabatte, Klimageld, mehr Rente und sanktionsloses Hartz IV aus der Gießkanne. Als gäbe es keine Verschuldung und keine dringenderen Aufgaben.

Weil die Maßnahmen nicht wie gewünscht wirken, folgt ein gesäuselter Sparappell fürs Volk – und die Peitsche gegen alle, denen sich antikapitalistische Klischees anheften lassen: Ölmultis, Immobilienhaie, Spekulanten, Spitzenverdiener (ab 80.000 Euro im Jahr). Ob der Aktionismus wirkt: egal. Wie etwa ein Tempolimit gegen hohe Benzinpreise helfen soll, dürfte das Geheimnis von SPD-Chefin Esken bleiben. Es wird auch spannend, wie Wirtschaftsminister Habeck das Kartellrecht verschärft – ohne dass dies in Willkür ausartet. Zumal das Gesetz schon greift, wenn Oligopole Preise fordern, die sie auf Märkten mit mehr Wettbewerb nicht bekämen.

Wirtschaft braucht Verlässlichkeit. Was passiert, wenn die fehlt, lässt sich in Schwellenländern beobachten: Niemand investiert, wenn er fürchten muss, dass ihm sein Verdienst entrissen wird. Das gilt hierzulande für Vermieter, die jetzt die Heizkosten ihrer Mieter mit zahlen, dafür aber die Miete nicht mit der Inflation anheben dürfen. Und für Unternehmer, deren Gewinne bei politischem Missfallen abgeschöpft werden könnten.

Lesen Sie auch: Ampelkoalition will Vermietern den Verkauf von Wohnungen erschweren

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