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Quelle: dpa

Wehrpflicht? Passt für Clans und Gamer

Hauke Reimer
Hauke Reimer Stellvertretender Chefredakteur WirtschaftsWoche

Zugegeben: Ökonomisch betrachtet ist sie ein Minusgeschäft. Aber es gibt dennoch mehrere gute Gründe für eine allgemeine Dienstpflicht.

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Die neue Wehrbeauftragte nutzt das Sommerloch. Wie vor zwei Jahren Annegret Kramp-Karrenbauer, damals noch CDU-Generalsekretärin, fordert Eva Högl die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Richtig so, auch wenn die durch eine Intrige von der Partei in ihr Amt geschobene SPD-Linke den falschen Grund liefert: Tausende einrücken zu lassen, nur um Rechtsradikale bei der KSK einzufangen, ist absurd – zumal Wehrpflichtige mit der Elitetruppe nichts zu tun haben. Richtig ist aber, dass eine Armee mehr in die Mitte der Gesellschaft rückt, wenn mehr Menschen mit ihr zu tun haben – und ihre Leistung anerkennen.

Ökonomen haben tonnenweise Studien geschrieben, die zeigen, dass eine Freiwilligenarmee effizienter ist. Altenheime hätten ohnehin lieber mehr Pflegeprofis – wobei es in vielen Heimen schon genügen würde, wenn ein paar mehr Helfer zum Reden und Spazierenführen da wären. Profitieren würden beide Seiten: Im Pflegeheim lässt sich der eigene Horizont trefflich erweitern, mehr als bei der durch Papis Visakarte und booking.com abgesicherten Weltreise.

Was die Studien nicht berücksichtigen, ist das Nachwuchsproblem: Die Bundeswehr hat zu wenig Bewerber. In Schweden löste sich nach der Wiedereinführung der Wehrpflicht dieses Problem ganz schnell. Der Abzug der US-Truppen aus Deutschland und Russlands Annexion der Krim zeigen, dass das Land künftig mehr braucht als nur schnell verlegbare Krisenreaktionskräfte.

Eine Dienstpflicht würde Zusammenhalt und Integration fördern – notwendiger denn je. Im Zivildienst und mehr noch in der Armee arbeiten und leben Menschen aller Schichten, Herkunft und Bildungsniveaus so eng zusammen wie danach nie wieder. Selbst Mitglieder arabischer Clans, von denen viele die deutsche Staatsbürgerschaft haben, könnten sich in vom Grundgesetz geprägten Strukturen bewähren.

Abou-Chaker im Altenheim oder beim Bund – das hätte was. Ist aber alles unpopulär. Deshalb die einhellige Kritik der Politiker, von Friedrich Merz bis Saskia Esken. Sie fürchten die Strafe an der Wahlurne, vor allem durch die Generation Hochkonjunktur und deren Eltern. „Dienst“ und „Pflicht“ klingt uncool, nach Sekundärtugenden von gestern. Warum eigentlich? Die Gründer der israelischen Start-ups etwa haben oft Armeehintergrund, viele nutzen dort entwickelte Technologie. Und, ganz im Ernst: Bei der Bedienung moderner Waffensysteme wie der jetzt von AKK geforderten Kampfdrohnen haben Computerspieler echt Vorteile. Zehn Jahre „Call of Duty“ wären dann doch noch zu etwas gut gewesen.

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Der Bundeswehr mangelt es offenbar nicht an Geld. Unveröffentlichte Dokumente zur gescheiterten Privatisierung der Werkstätten zeigen ein System von Verschwendung und Verantwortungslosigkeit. Lesen Sie die Geschichte hier.

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