Rekordüberschuss in Deutschland "Der Steuertopf ist fett gefüllt"

Der Rekordüberschuss des deutschen Staates weckt Begehrlichkeiten. Ein Jahr vor der Bundestagswahl fordern Politiker, zumindest einen Teil der Milliarden an die Bürger weiterzugeben. Es gibt aber auch andere Ideen.

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Forderung nach Steuersenkungen aus Union und SPD Quelle: dpa

Angesichts der Rekordeinnahmen des Staates wird der Ruf nach Steuersenkungen lauter. Politiker sowohl der Union als auch der SPD machen sich dafür stark, die Bürger an den milliardenschweren Überschüssen öffentlicher Haushalte stärker teilhaben zu lassen.

Es könne keinen besseren Beleg für die Notwendigkeit von Entlastungen geben als die nun vorgelegten neuen Zahlen, sagte der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung von CDU/CSU, Carsten Linnemann, der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“ (Donnerstag). „Steuersenkungen sind nicht nur möglich, sondern auch bitter nötig“, fügt er hinzu. Er regte dem Bericht zufolge an, dass der Staat ein Drittel der Steuermehreinnahmen an Bürger und Unternehmen zurückgibt.

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hält deutliche Steuersenkungen für möglich. In der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ/Donnerstag) rief der SPD-Landeschef seine Partei dazu auf, sich dem Thema zu stellen und Vorschläge für Entlastungen zu entwickeln. „Die SPD ist gut beraten, sich auf diese Diskussion einzulassen und ein eigenes Konzept zu erarbeiten.“ Der Union dürfe das Feld nicht überlassen werden. „Ich halte einen deutlich zweistelligen Milliardenbetrag als Entlastung für realistisch“, sagte Weil. Insbesondere die Mittelschicht müsse entlastet werden.

Widerspruch kam vom SPD-Haushaltsexperten Johannes Kahrs. Er bezeichnete Forderungen nach Steuersenkungen als Schnellschuss. Vorrang habe für die SPD die Entlastung von Familien und Arbeitnehmern mit kleinen und mittleren Einkommen über die Senkung der Sozialbeiträge, sagte er den beiden Stuttgarter Zeitungen.

"Entlastung wäre das richtige Signal"

Der Chef der Gewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, sagte der „Bild“-Zeitung: „Der Steuertopf ist fett gefüllt mit dem Geld meiner Leute. Wenn da nicht endlich was zurückfließt, dann sind die richtig sauer.“ Auch der Bundestagsabgeordnete Christian von Stetten (CDU) verlangte in dem Blatt Erleichterungen für Beitragszahler. „Es ist das Geld der Bürger, sie sollten am Überschuss beteiligt werden. Eine Bürger-Dividende, z.B. als Steuerentlastung für Familien, wäre das richtige Signal.“

Das Statistische Bundesamt hatte am Mittwoch mitgeteilt, dass der Staat im ersten Halbjahr 2016 mit einem Rekordüberschuss von der robusten Konjunktur und den niedrigen Zinsen profitiert hat. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialkassen nahmen nach vorläufigen Berechnungen 18,5 Milliarden Euro mehr ein als sie ausgaben. Bezogen auf die gesamte Wirtschaftsleistung lag das Plus bei 1,2 Prozent.

Hier schmeißt der Staat das Geld zum Fenster raus
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Der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav A. Horn, warnte trotz des großen Überschusses vor Steuersenkungen. „Es gilt, die richtigen Prioritäten zu setzen“, sagte er den „Ruhr Nachrichten“ (Donnerstag). „Bund und Kommunen investieren zu wenig. Wir verschleißen mehr als wir erneuern. Die sinnvollste Verwendung der Überschüsse wären mehr Investitionen. Das würde unsere Produktivkraft erhöhen und käme der Konjunktur viel stärker zugute als Steuersenkungen.“

Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) forderte die Bundesregierung zum Umsteuern in ihrer Ausgabenpolitik auf. „Die Haushaltspolitik des Bundesfinanzministers ist mir viel zu defensiv“, sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz der „NOZ“. In Zeiten niedriger Zinsen müsse Minister Wolfgang Schäuble (CDU) mehr Gewicht auf Wachstum und nachhaltige Investitionen legen. „Das heißt ganz konkret mehr Geld für Bildung, Forschung und Infrastruktur.“

Ein Sprecher des Finanzministeriums hatte zu den neuen Zahlen erklärt, der Überschuss sei auf eine „solide Haushaltspolitik“ zurückzuführen. Allerdings könne man aus dem Halbjahresergebnis nicht schon auf das ganze Jahr 2016 schließen.

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