Rente Länger Arbeiten? Das reicht nicht aus!

Eine Studie untersucht Effekte einer längeren Lebensarbeitszeit auf die Rente. Das Ergebnis: Die Anhebung des Rentenalters ist gut für die Rente und auch gut für die Wirtschaft. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit.

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Dass längeres Arbeiten auch ökonomisch für alle Sinn macht, belegt nun die Prognos-Studie. Doch das allein reicht nicht aus. Quelle: dpa

Berlin Man nennt es eine klassische Win-Win-Situation, was das Prognos-Institut im Auftrag des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft herausgefunden hat. Würden wir alle länger arbeiten, am besten über das 67. Lebensjahr hinaus, würde das nicht nur zu einem Anstieg des Rentenniveaus führen – und somit die angeblich drohende Altersarmut vermeiden helfen. Auch das System der deutschen Rentenversicherung würde stabilisiert und ganz nebenbei der Bundeshaushalt entlastet. Die Erkenntnis ist nicht ganz neu – und sie hat einen Haken: Der Maßgabe der Politik, schon heute länger als bis 65 Jahren zu arbeiten, folgen viele Arbeitnehmer nur sehr zögerlich. Sie nehmen dafür sogar Kürzungen ihres Rentenanspruchs in Kauf.

Derzeit liegt das gesetzliche Rentenalter bei fast 65,5 Jahren. Bis 2030 soll es schrittweise auf 67 Jahre steigen. Tatsächlich gehen die Arbeitnehmer aber derzeit im Durchschnitt bereits mit 64,2 Jahren in Rente. Und wenn sich an diesem Verhalten nichts ändert, so hat Prognos ausgerechnet, wird das tatsächliche Rentenalter 2030 erst auf 65 Jahre geklettert sein. Das Kalkül der Politik, über ein höheres Renteneintrittsalter den Generationenvertrag zwischen Alt und Jung bezahlbar zu halten, ginge nicht auf. Prognos hat deshalb im Auftrag der GDV berechnet, um welche großen Vorteile sich die Arbeitnehmer dadurch bringen, dass sie noch immer recht früh in den Ruhestand wechseln wollen.

Ins persönliche Lebenskalkül sollte das längere Arbeiten längst passen. Denn keine Generation vorher hatte Aussicht auf so viel Lebenszeit jenseits des Rentenbeginns, wie die Alten von heute. Hatte ein 65-Jähriger 1960 im Durschnitt noch zwölf Jahre vor sich, sind es heute 18 Jahre also nahezu zwei Jahrzehnte, so Oliver Ehrentraut, Leiter der Abteilung volkswirtschaftliche Grundsatzfragen bei Prognos. Und der größte Teil dieser Zeit wird von den meisten bei noch guter Gesundheit verbracht.

Warum also nicht ein paar Jahre länger arbeiten, statt auf der faulen Haut zu liegen? „Wer sich im Alter für den Job entscheidet, bleibt länger fit und gesund. Ältere Arbeitnehmer haben soziale Kontakte zu Kollegen und erleben ein befriedigendes Gefühl, wenn ihre Erfahrungen nachgefragt bleiben“, wirbt die Bundesregierung daher schon seit Mai 2015 für den längeren Verbleib im Job.

Dass das auch ökonomisch für alle Sinn macht, belegt nun die Prognos-Studie. Würden die Deutschen im Jahr 2030 tatsächlich bis 67 statt 65 arbeiten, würde allein dadurch das Rentenniveau um 1,1 Prozentpunkte steigen. In heutiger Kaufkraft sind das immer 200 Euro bei einer durchschnittlichen Jahresrente.

Und den eigenen, noch erwerbstätigen Kindern täte man auch etwas Gutes: Denn die müssten 2030 satt 21 Prozent nur 20,1 Prozent Rentenbeitrag zahlen. „Wir brauchen keine Debatte über eine Rente mit 70. Wir sollten zunächst alles daran setzen, das gesetzliche Ziel von 67 Jahren auch real zu erreichen,, sagte dazu der Präsident des GDV, Alexander Erdland.


Zu akademisch? Das beutet längeres Arbeiten in der Praxis

Prognos hat trotzdem weiter gerechnet und untersucht, was wäre, wenn die Leute doch noch länger als bis 67 arbeiten würden. Dabei geht die Studie von sehr vorsichtigen Annahmen aus: Wenn es nur gelänge, die Menschen dazu zu bringen, bis 2040 sieben Monate über das 67. Lebensjahr hinaus zu arbeiten, würde das dazu führen, dass das Rentenniveau 2040 um 0,5 Prozentpunkte höher liegen würde als ohne diese Entwicklung. Es wäre mit 42,2 Prozent des Nettoeinkommens vor Steuern aber trotzdem deutlich niedriger als heute (48 Prozent). Vor allem läge es unter der magischen Grenze, die der Gesetzgeber 1992 ins Sozialgesetzbuch geschrieben hat: Danach darf bis 2030 das Rentenniveau nicht unter 43 Prozent sinken.

Daran zeigt sich, dass längeres Arbeiten allein die demografischen Probleme der Rentenversicherung nicht lösen wird. Wer wie die derzeitige Bunderegierung will, dass das Rentenniveau auch nach 2030 nicht unter 43 Prozent abstürzt oder sogar auf einen noch höheren Niveau stabilisiert wird, muss entweder die Rentenformel ändern. Danach führt jeder Anstieg der Zahl der Rentner im Vergleich zur Zahl der Erwerbstätigen automatisch zu einer Kürzung des Rentenniveaus. Der Preis dafür wären entweder höhere Steuerzuschüsse in die Rentenversicherung oder ein höherer Beitragssatz.

Oder aber er muss dafür sorgen, dass die Zahl der Erwerbstätigen noch schneller steigt als die Zahl der Rentner. Das setzt Dinge wie ein stabiles Wirtschaftswachstum, eine höhere Erwerbsbeteiligung der Frauen und bessere gesetzliche Rahmenbedingungen für geordnete Zuwanderung voraus.

Längeres Arbeiten hätte nach der Prognos-Studie allerdings auch einen positiven Einfluss auf die Wirtschaftsentwicklung: Bei einer Rente mit 67 + gäbe es in Deutschland 2040 allein deshalb 700.000 mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Das bedeutet nicht nur mehr Wirtschaftswachstum. Es würde auch den Bundeshaushalt entlasten. Denn der Bund dürfte dann den Steuerzuschuss zur Rentenversicherung um insgesamt 80 Milliarden Euro kürzen. „Das schafft Spielraum für Investitionen, aber auch für mehr private Altersvorsorge“ so GDV-Präsident Erdland.

Wem derlei Überlegungen zu akademisch sind, um die eigene persönliche Lebensplanung daran auszurichten, dem sei folgender Hinweis der Deutschen Rentenversicherung ans Herz gelegt: Wer übers gesetzliche Rentenalter hinaus bei seinem ehemaligen Arbeitgeber weiter arbeitet, erwirbt nicht nur automatisch eine höhere Rentenanwartschaft. Es gibt auch einen Zuschlag von 0,5 Prozent pro Monat, den man länger im Job bleibt.

Für einen Durchschnittverdiener sind das pro Jahr länger arbeiten etwas über 100 Euro mehr Rente im Monat. Auch Weiterarbeiten neben der Rente rechnet sich. Denn wenn man erst einmal das gesetzliche Rentenalter hinter sich hat, wird dieser Verdienst nicht mehr auf die Rente angerechnet.

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