Rente Was uns die Rentenpläne von Andrea Nahles kosten

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Nahles und Gabriel sind bei der Lebensleistungsrente uneins

In der rentenpolitischen Alltagswelt kämpft Nahles nämlich mit nur mäßigem Erfolg, etwa bei der Lebensleistungsrente. Für dieses Vorhaben hat der Bundesfinanzminister bereits Mittel in der mittelfristigen Finanzplanung bereitgestellt. Für 2017 sind es 202 Millionen Euro, die bis 2020 auf 990 Millionen ansteigen sollen.

Eigentlich ist eine derartige Finanzzusage gut für die Arbeitsministerin, die sonst wie jedes Kabinettsmitglied lange kämpfen muss, um Schäuble Geld zu entlocken. Und auf dem Papier klingt die „solidarische Lebensleistungsrente“ sympathisch. Sie zielt laut Koalitionsvertrag darauf ab, „dass sich Lebensleistung und langjährige Beitragszahlung in der Sozialversicherung auszahlen“. Wer jahrzehntelang gearbeitet hat, soll im Alter nicht auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen sein. SPD-Chef Gabriel forderte die Lebenleistungsrente gerade mal wieder ein: „Ich verstehe dieses Projekt vor allem als ein Signal der Leistungsgerechtigkeit.“

Nahles aber hadert mit dem Konzept, das von ihrer CDU-Amtsvorgängerin Ursula von der Leyen ins Spiel gebracht wurde. Denn die Ausgestaltung wäre extrem bürokratisch und streitanfällig. Wo zieht man die Grenze für Rentner, die einen Zuschlag bekommen sollen, bei wie vielen Jahren Beitragseinzahlungen? Wie werden Arbeitslosen- und Pflegezeiten berücksichtigt? Welche Rentenhöhe soll gelten?

Schließlich gibt es bundesweit sehr unterschiedliche Bedarfshöhen für die Grundsicherung im Alter. In Hamburg waren es zuletzt 843 Euro, in Thüringen nur 688 Euro, im Bundesschnitt sind es rund 760 Euro. Für jeden Niedrigrentner müsste zudem die Rentenversicherung eine Bedürftigkeitsprüfung durchführen – sie würde wie ein zweites Sozialamt fungieren.

Kein Wunder, dass Nahles’ Beamte einen Entwurf nach dem anderen verwerfen. „Wir werden auf jeden Fall die Konzepte beraten“, sagt SPD-Fraktionsvize Carola Reimann tapfer. Sie will aber nicht darauf schwören, dass die Lebensleistungsrente vor der Bundestagswahl noch Gesetz wird.

Ost und West: Es bleibt kompliziert

Heikel für Nahles ist auch das Versprechen der Koalition, die Rentenwerte in Ost und West anzugleichen. Für jedes Beitragsjahr gibt es in Ostdeutschland einen Rentenwert, der bei 94,1 Prozent des Westwerts liegt. Wegen des niedrigeren Durchschnittsentgelts im Osten (87,1 Prozent des Westniveaus) existiert aber auch ein Hochwertungsfaktor, mit dessen Hilfe die Ostrenten um 14,8 Prozent aufgewertet werden – und unter dem Strich eine Überkompensation stattfindet. Erstere Ungleichbehandlung empfinden die Bürger zwischen Ostsee und Erzgebirge seit Jahren als Schmach. Der für sie günstige Hochwertungsfaktor spielt hingegen öffentlich kaum eine Rolle.

Die Angleichung von Ost- und Westwerten hätte aber zur Folge, dass die heutigen Beitragszahler im Osten später weniger als bisher bekämen, während die jetzigen Rentner noch einmal ordentlich profitieren würden. Für die Schlechterstellung der arbeitenden Ostbürger will in der Koalition niemand die politische Verantwortung übernehmen.

von Cordula Tutt, Max Haerder

Nach einem Gespräch Mitte August mit Kanzlerin Merkel prüft Nahles, ob sich der Angleichungsprozess um zwei Jahre strecken lässt. Danach würde der Rentenwert Ost am 1. Juli 2017 erstmals angehoben, und zwar auf 95,5 Prozent, während der Hochwertungsfaktor Anfang 2018 auf 1,09 sänke. Mit einer Streckung bis Mitte 2021 und Anfang 2022, so die Beamten im Arbeitsministerium, würde eine „harte Landung abgemildert“.

Gleichwohl lägen die Mehrkosten für die Angleichung der Rentenwerte ab dem Jahr 2020 bei rund vier Milliarden Euro. Ob das der Bund aus Steuermitteln übernimmt – wogegen sich Finanzminister Schäuble sperrt – oder die Rentenversicherten zahlen müssen, ist innerhalb der Bundesregierung umstritten. Gleichwohl rechnet die SPD-Arbeitsexpertin Reimann noch in diesem Jahr mit einem Gesetzentwurf.

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