Rentenpläne der großen Koalition So heikel ist die neue „Respektrente“

Aufmacher Altersarmut Quelle: imago/blickwinkel

Die große Koalition will Lebensleistung honorieren und kleine Rentenansprüche aufwerten. Wenn die Regierung nicht aufpasst, wird dieses Vorhaben unbezahlbar und ungerecht.

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Martin Werding ist Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum.

Diskussionen über die Grundrente, die im Koalitionsvertrag angekündigt wird und nun „Respektrente“ (so Arbeitsminister Hubertus Heil) heißt, kranken an denselben Problemen wie all ihre Vorläufer. Dies sind die „solidarische Lebensleistungsrente“, die in der vergangenen Legislaturperiode am Ende unerledigt geblieben ist, und noch ältere Pläne zu einer „Zuschussrente“ bei der CDU, zur „Solidarrente“ der SPD oder zur „Garantierente“ der Grünen. Alle diese Konzepte blieben vage.

Was sie gemeinsam hatten: Niedrige gesetzliche Renten sollten unter bestimmten Bedingungen aufgestockt werden, mal irgendwie, mal bezogen auf konkrete Beträge. Genauere Bedingungen sollten dabei sicherstellen, dass nur Personen begünstigt werden, die im Alter bedürftig sind, obwohl sie durch lange Erwerbsarbeit, Kindererziehung, Pflege und teilweise auch durch eigene Vorsorge viel geleistet haben, nicht zuletzt für die eigene Alterssicherung.

Wenn solche Bedingungen für die Rentenaufschläge sehr streng gefasst werden, gibt es am Ende nur Wenige, die sie erfüllen. Personen, die am stärksten vom Risiko wachsender Altersarmut betroffen sind, vor allem wegen stark durchlöcherter Erwerbsbiographien mit wiederkehrender Arbeitslosigkeit oder langen Minijob-Phasen, gehen tendenziell leer aus. Lockert man die Bedingungen, können die Regelungen dagegen rasch sehr teuer werden – teurer, als in der bevorstehenden Phase demografischer Alterung finanziert werden kann. Außerdem verringert sich die Zielgenauigkeit der Grundrente unter Umständen aus anderen Gründen.

Bisher stellen sich alle diese Aufschläge nämlich als zusätzliche Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung vor. Dabei ist die Rentenversicherung gar nicht in der Lage, sie zu bemessen und zu verwalten. Ihr fehlen viele der nötigen Informationen, vor allem über sonstige Alterseinkommen, und sie hat weder die Verwaltungskapazitäten noch irgendwelche Erfahrungen mit Bedürftigkeitsprüfungen. Wenn das Verfahren deswegen vereinfacht wird, könnten auch Personen eine Aufstockung erhalten, die im Alter recht gut abgesichert sind. Wirklich Bedürftige würden vielleicht immer noch nicht erfasst.

Eine zielgenaue, administrativ umsetzbare Lösung, um die Grundrente umzusetzen, lässt sich viel leichter organisieren, wenn man von der vollständigen Anrechnung gesetzlicher Renten bei der Grundsicherung im Alter abrückt. Dort gibt es bisher schon Freibeträge für Erwerbseinkommen derer, die im Alter noch arbeiten, für private und betriebliche Altersvorsorge sowie allgemein für Kapitalerträge. Gesetzliche Rentenansprüche, die aus Erwerbsarbeit, Kindererziehung und auch aus Pflege stammen, werden dagegen Eins zu Eins mit den Leistungen der Grundsicherung verrechnet. Wenn man trotz eigener Rentenansprüche nicht mehr erhalten kann als die Leistungen der Grundsicherung, untergräbt das die Akzeptanz, möglicherweise sogar die Legitimität des Rentensystems.

Über die genaue Gestaltung kann und muss man auch hierbei noch diskutieren. Mit einem Freibetrag deckelt man die Aufstockung auf einen Maximalbetrag, bei einer Teilanrechnung variieren die Effekte stärker mit der genauen Rentenhöhe. Braucht man auch hier eine Mindestversicherungszeit – wenn ja, welche? Sollen die Regelungen für gesetzliche Renten und Betriebsrenten kombinierbar sein, oder will man die Gesamteffekte begrenzen? Kann man die Bedürftigkeitsprüfung vereinfachen oder das Schonvermögen erhöhen? Auch bei diesen Fragen geht es darum, welche Bedingungen zu streng sind und welche zu teuer werden. Auf jeden Fall vermeidet man aber doppelten Verwaltungsaufwand oder die Gefahr massiver Streuverluste der eingesetzten Mittel.

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