Mehr als neun Milliarden Euro, später sogar elf Milliarden Euro jährlich, wird das ganze Rentenpaket kosten. Allein in dieser Legislaturperiode summiert sich die Rechnung für den gesamten Leistungskatalog auf insgesamt 32 Milliarden Euro, bis 2030 gar auf 160 Milliarden – mögliche Nachwirkungen für andere Sozialkassen oder den Fiskus sind dabei noch gar nicht eingerechnet. Wie sehr sich die Bundesregierung dabei vom einstigen Prinzip fairer Lastenverteilung entfernt, hat die Rentenversicherung in einer internen Rechnung penibel beziffert: Mit 60 Prozent müssen die Beitragszahler den Löwenanteil stemmen, 15 Prozent übernehmen die Steuerzahler, ein Viertel die Rentner. Arbeitnehmer und Arbeitgeber alleine kommen also in den nächsten 15 Jahren mit fast 100 Milliarden Euro für die Reformen auf.
Diese heftige Unwucht entsteht, weil die Bundesregierung zunächst die Beitragsrücklage der Rentenversicherung in Höhe von mehr als 30 Milliarden Euro bis 2017 fast vollständig verfrühstückt, neue Steuermittel aber nur in geringer Dosis in die Umlage träufelt. Unter den Nebenbedingungen „keine Steuererhöhungen“ und „ausgeglichener Haushalt“ wären die üppigen Wahlversprechen sonst nur mit schmerzhaften Maßnahmen zu finanzieren gewesen. Diese ungemütliche Option wollte keiner ziehen.
„Es handelt sich de facto um eine Umgehung der Schuldenbremse, wenn der Bund die Leistungsausweitung nicht über den Haushalt, sondern aus der Rentenkasse bezahlt“, kritisiert die Ökonomin Gisela Färber, Mitglied im Sozialbeirat des Bundesarbeitsministeriums. Doch derartige Warnungen werden nichts mehr ändern. Die Plünderung der Rentenkasse bildet somit die dunkle Seite von Wolfgang Schäubles glänzenden Haushaltszahlen.
So kommt die vermeintliche Gerechtigkeitsoffensive erst einmal ohne Preisschild – allerdings nur scheinbar. Schon in diesem Jahr fallen die Rentenerhöhungen wegen der gestrichenen Beitragssenkung magerer aus. Spätestens 2018 steigt dann der Beitrag sprunghaft an, parallel dazu wird das Rentenplus automatisch noch kleiner. Aufgrund der Reform wird der Beitrag in der Zukunft stärker steigen, als ohnehin nötig gewesen wäre, gleichzeitig sinkt das Rentenniveau deutlicher (siehe Grafik). Beide Kenngrößen treibt Schwarz-Rot hart an die gesetzlich gerade noch erlaubten Grenzen. „Das ist das Gegenteil von generationengerecht“, klagt Wolfgang Gründinger von der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen.
Diese Entwicklungen dürften eigentlich einer SPD-Ministerin überhaupt nicht gefallen. Höhere Versicherungsbeiträge belasten schließlich ausgerechnet die Klein- und Kleinstverdiener, die kaum oder gar keine Einkommensteuer zahlen, wie eine soziale flat tax. Und das sinkende Rentenniveau drückt gerade fleißige Arbeiter mit geringen Einkommen im Rentenalter immer näher an die Grundsicherungsgrenze. Die Delegitimierung der Rentenkasse schreitet damit voran.