




Mit deutlichen Worten hat Bundespräsident Joachim Gauck Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gemahnt, die Maßnahmen zur Euro-Rettung den Bürgern zu erklären. „Sie hat nun die Verpflichtung, sehr detailliert zu beschreiben, was das bedeutet, auch fiskalisch bedeutet“, sagte Gauck im ZDF-Sommerinterview. Die Politik habe Schwierigkeiten, den Bürgern die Notwendigkeiten zur Lösung der Euro-Krise zu vermitteln. „Manchmal ist es mühsam zu erklären, worum es geht. Und manchmal fehlt die Energie, der Bevölkerung sehr offen zu sagen, was eigentlich passiert. Da kann ich helfen.“ Zugleich betonte er, die Arbeit der Kanzlerin mit großem Respekt zu betrachten. „Ich könnte nicht, was sie kann und was sie gerade leistet.“
Hilfe für Euro-Länder
Nach Griechenland, Irland und Portugal haben nun auch Spanien und Zypern erklärt, Hilfen aus den Euro-Rettungsfonds in Anspruch zu nehmen. Spanien bleibt aber als Garantiegeber für die Krisenfonds erhalten, da es lediglich Geld für die Sanierung seiner Banken beantragt hat.
Für Irland, Portugal und Griechenland (zweites Hilfsprogramm) hat der Rettungsschirm EFSF bislang 192 Milliarden Euro zugesagt. Die Kredite werden schrittweise ausgezahlt - unter der Voraussetzung, dass die Länder sparen und Reformen umsetzen. Spanien dürfte bis zu 62 Milliarden Euro für die Rettung seiner Banken benötigen - die Euro-Finanzminister haben bis zu 100 Milliarden pauschal zugesagt - , Zypern nach Medienberichten bis zu zehn Milliarden Euro.
Allein im EFSF stehen nach Angaben des Fonds noch 248 Milliarden Euro bereit - das würde für Spaniens Banken und Zypern locker reichen. Wobei noch offen ist, ob der EFSF oder sein Nachfolger, der permanente Krisenfonds ESM einspringt, der Mitte Juli starten soll. Mit dem neuen Programm für Spanien und Zypern dürfte sich die benötigte Summe auf maximal 300 Milliarden Euro erhöhen. Das ist immer noch weniger als die Hälfte des kombinierten Volumens der beiden Rettungsschirme EFSF und ESM von 800 Milliarden Euro.
Die Reihe der potenziellen Bittsteller ist lang: Wäre Spanien gezwungen, doch noch voll unter den Rettungsschirm zu schlüpfen, wird der Kapitalbedarf Madrids auf bis zu 300 Milliarden Euro geschätzt. Auch Italien kämpft mit Problemen, möglicherweise benötigen auch Portugal oder Irland ein zweites Paket. Die Faustformel der Ökonomen lautet: Spanien passt auch als Gesamtstaat unter die Rettungsschirme - das Schwergewicht Italien aber nicht mehr.
Für viele ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone Hilfen beantragen wird. Schlechte Nachrichten dominieren: „Die Konjunktur ist zu Jahresbeginn eingebrochen und der Reformwillen der italienischen Politik ist bereits wieder deutlich erlahmt“, sagt Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen. Spanien wie auch Italien stehen unter dem Druck der Märkte. Willem Buiter von der Citigroup sagt: „Das Vertrauen in beide Regierungen, die nötigen Strukturreformen und Sparanstrengungen bewältigen zu wollen und zu können, ist gering.“
Ja, denn das weckt Begehrlichkeiten. Obwohl Spanien ein Sonderfall ist. Madrid bekommt nur Geld zur Sanierung seiner maroden Banken. Die Auflagen betreffen somit die Rettung von Banken, die Reform der Branche und eine schärfere Bankenaufsicht. Zypern, dessen Banken eng mit Griechenland verwoben sind und Probleme haben, könnte nach spanischem Vorbild ebenfalls eine Euro-Rettung „light“ verlangen. Auch Griechenland will nun nachverhandeln und verlangt mehr Zeit für seine Reformen und die Rückzahlung der Kredite.
Experten von EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds kontrollieren als „Troika“ die Einhaltung der Auflagen. Die internationalen Geldgeber haben eine scharfe Waffe in der Hand: Sie können kurzerhand den Geldhahn zudrehen. Damit wurde schon mehrfach Griechenland gedroht. So haben die Euro-Partner einige Male die Auszahlung von Kredittranchen verschoben.
Das ist umstritten. Kurzfristig würden die Aufschläge für Anleihen der Krisenländer wohl sinken. „Solche Käufe könnten aber auch eine Einladung sein, gegen die begrenzten Mittel der Rettungsfonds zu spekulieren“, warnt Holger Schmieding von der Berenberg Bank. Dann würden Mittel verschwendet, die sinnvoller angelegt werden könnten, etwa zur Kapitalisierung von Banken oder als Notkredite für Länder.
Kläger sollen ihre Sorgen zum Ausdruck bringen
Dennoch hat er die Verfassungsklagen gegen den geplanten dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM ausdrücklich begrüßt. „Ich bin froh, dass dieser Weg beschritten wird“, sagte das Staatsoberhaupt. „Die Kläger haben alles Recht, ihre Sorgen zum Ausdruck zu bringen“, ergänzte er. Zugleich forderte er von Kanzlerin Angela Merkel, in der Finanzkrise Klartext mit den Bürgern zu reden. Das Bundesverfassungsgericht verhandelt am Dienstag (10. Juli) über die Eil-Anträge gegen ESM und Fiskalpakt. Die Kläger wollen verhindern, dass der Bundespräsident die Gesetze unterzeichnet. Der ESM kann erst in Kraft treten, wenn Gauck das Ratifizierungsgesetz unterschrieben hat. Mit einer Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts in Karlsruhe wird noch im Juli gerechnet.
Angesichts der angedrohten Klagen hatte das Verfassungsgericht das Staatsoberhaupt gebeten, Zeit zur Prüfung zu geben und mit der Unterschrift bis nach einer Gerichtsentscheidung zu warten. „Ich habe mich sehr intensiv damit auseinandergesetzt und auch nachgefragt“, sagte Gauck zur Diskussion über das ESM-Gesetz. Bei der Bewertung der Ergebnisse des Brüsseler EU-Gipfels vergangene Woche blieb Gauck zurückhaltend. Mit Blick auf die deutschen Positionen sagte er: „Für mich war aber wichtig zu hören, dass nicht alle Felle davongeschwommen sind und dass auch nicht rote Linien überschritten sind.“
Selbstkritisch zeigte sich Gauck im Rückblick auf seine Äußerung vom April, wonach er keine Bedenken wegen der Verfassungsmäßigkeit des deutschen Euro-Rettungskurses habe. „Da hätte mehr Zurückhaltung mir gut gestanden“, sagte Gauck nun selbstkritisch. Er verwies aber nach ZDF-Angaben darauf, dass seine Äußerung in dem Interview von damals spontan und keinesfalls geplant gewesen sei. Die Worte waren ihm damals schnell als Bevormundung des Gerichts ausgelegt worden.