Rezepte gegen Jugendarbeitslosigkeit "Jugendliche brauchen Kontakt zur Berufswelt"

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Alle Menschen sollten die gleichen Chancen bekommen

Haben junge Migranten bei der Ausbildungsplatzsuche besondere Probleme?

Manche werden von deutschen Betrieben nicht genommen, weil angeblich Sprachkenntnisse fehlen oder die Schulzeugnisse nicht gut genug sind. Es gibt aber auch einen Startnachteil für viele, nur weil sie ‚Ali‘ heißen. Ihre Bewerbungen werden direkt zur Seite gelegt.

Ist die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland vor allem ein Problem von Schülern mit Migrationshintergrund?

Ja, sie sind sehr stark davon betroffen, weil die Betriebe sagen, dass sie etwa zu wenig Deutsch sprechen oder einfach keine Türken haben möchten.

Wie es um die Jugend steht

Ihnen wird also zu wenig zugetraut?

Wenn diese Schüler eine Ausbildung bekommen und wirklich an etwas arbeiten könnten, zeigt sich, wie sehr sie aufblühen und wie gut sie als Mitarbeiter sein können - auch wenn die Schulzeugnisse darüber manchmal nur wenig sagen. Aber natürlich gibt es auch andere Gruppen, die benachteiligt werden, zum Beispiel Menschen mit Behinderung. Da gibt es häufig die gleiche ablehnende Haltung der Arbeitgeber. Dabei können es richtig gute Mitarbeiter sein, wenn man sie richtig einsetzt.

Wo zum Beispiel?

Während meiner Recherchen habe ich eine Großbäckerei in Neckarsulm besucht, die ganz bewusst auf Jugendliche mit Behinderung setzt oder welche ohne Abschluss nimmt: Hauptsache sie haben Spaß am Backen und dann werden sie auch gute Mitarbeiter. Darauf legen sie Wert, nicht auf Zeugnisse. Man kann aus Menschen, wenn man sich Zeit nimmt, richtig viel machen.

Wie könnte ein Ausbildungssystem aussehen, das Menschen mit ihren Besonderheiten integriert?

Ich glaube nicht, dass man da allgemeinverbindliche Regeln schaffen kann. Man muss viel mehr das Bewusstsein fördern, dass man zwar all diese Probleme angehen muss, aber mit individuellen Methoden. Auf dem Land sieht das ganz anders aus als zum Beispiel in einer Großstadt, wo es soziale Brennpunkte gibt, wo sich Menschen mit Migrationshintergrund in sehr großer Zahl finden – und alle müssen ihren eigenen Weg finden…

…weil Jugendarbeitslosigkeit auch gesellschaftliche Folgen hat.

Genau. Für die Gesellschaft ist es ein Armutszeugnis, dass wir einerseits immer weniger Nachwuchs haben, gleichzeitig aber viele Menschen auf der Strecke bleiben. Weil sie keine Ausbildung finden oder erstmal in den falschen Beruf reingehen. Das ist für die Jugendlichen ein Drama, wenn sie direkt beim Start ins Arbeitsleben so eine Pleite erleben. Für die Gesellschaft ist es aber auch eins, weil uns diese Menschen fehlen. Und es kostet unheimlich viel Kraft, Zeit und Geld, sie durch irgendwelche Maßnahmen zu beschäftigen. Aber selbst das ist dann nur die Fortsetzung der Schule mit anderen Mitteln. Denn am Ende stehen sie wieder ohne richtige Aufgabe da.

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