Rheinland-Pfalz CDU will mit Julia Klöckner zurück an die Macht

Nach einem Vierteljahrhundert in der Opposition will die CDU mit Julia Klöckner wieder die Regierung in Rheinland-Pfalz übernehmen. Im Südwesten steht einer der spannendsten Wahlkämpfe seit Jahrzehnten an.

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Julia Klöckner, Landesvorsitzende der rheinland-pfälzischen CDU Quelle: dpa

Julia Klöckner braucht nicht lange, um ihre Parteifreunde zu begeistern. Schon nach dem ersten Satz ihrer Rede auf dem Landesparteitag der CDU Rheinland-Pfalz wird sie das erste Mal von Applaus unterbrochen. „176 Tage sind es noch bis zur Landtagswahl am 13. März: Wir sind bereit!“, beginnt Klöckner und muss gleich wieder pausieren. Die CDU ist in Aufbruchstimmung: Nach einem Vierteljahrhundert in der Opposition will sie zurück an die Regierung – und erstmals seit dem Machtverlust 1991 gibt es realistische Chancen dafür.

Die 42 Jahre alte Partei- und Fraktionschefin ist die große Hoffnungsträgerin, sie war Bundestagsabgeordnete, Staatssekretärin im Verbraucherschutzministerium, ist stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU und hat einen guten Draht zu Kanzlerin Angela Merkel. Unter Klöckners Führung will die Union die rot-grüne Koalition in Mainz ablösen. Einstimmig stellen die Delegierten Klöckner in der Abstimmung per Akklamation – also nicht in geheimer Wahl, sondern per Handzeichen – als Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2016 auf.

Umfragen sehen enges Rennen

Doch trotz aller Euphorie bei den Konservativen, trotz aller Probleme der skandalgeplagten SPD im Land: Die Umzugswagen für den Einzug in die Staatskanzlei kann die Union noch lange nicht bestellen. Im Südwesten steht einer der spannendsten Wahlkämpfe seit Jahrzehnten an. Drei Frauen kämpfen um die Macht im Lande: Klöckner gegenüber steht die populäre Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), an ihrer Seite die grüne Wirtschaftsministerin und Vize-Ministerpräsidentin Eveline Lemke.

In Umfragen liegen die Union und rot-grün nahezu gleichauf. Im Juli kam die CDU in einer Infratest-dimap-Umfrage für den Südwestrundfunk bei der Sonntagsfrage auf 42 Prozent, SPD (33 Prozent) und Grüne (10 Prozent) erreichten zusammen einen Prozentpunkt mehr. Im November vergangenen Jahres war es noch umgekehrt, dort lag die Union in der Infratest-Umfrage mit 43 Prozent einen Punkt vor Rot-Grün.

Dass die Regierungskoalition jüngst die Nase wieder knapp vorn hat, dürfte vor allem an Malu Dreyer liegen. Sie ist beliebter als Klöckner, die Wähler bewerten ihre Arbeit besser und würden ihr in einer Direktwahl den Vorzug geben. Die Ministerpräsidentin hat ihrer taumelnden SPD neuen Halt gegeben. Skandale wie der Nürburgring, wo die SPD-geführte Regierung rund eine halbe Milliarde Euro versenkte und die weitgehend landeseigene Nürburgring GmbH in die Insolvenz riss, die Pleite des Flughafens Zweibrücken oder die Krise am Flughafen Hahn hatten schwer am Image gekratzt; die Regierung präsentierte sich als dilettantischste Landesregierung der Republik.

Dreyer ist der Trumpf der Regierung

Zwar sind etliche Probleme nach wie vor ungelöst, den Negativtrend aber stoppte Dreyer mit einer spektakulären Kabinettsumbildung: Im November vergangenen Jahres tauschte sie die Hälfte ihrer Regierungsmannschaft aus, besetzte fünf von neun Ministerposten, die Spitze der Staatskanzlei und den SPD-Fraktionsvorsitz neu. Seither stabilisiert sich die SPD.

In der landespolitischen Debatte spielen die vielen Pannen und Skandale kaum noch eine Rolle, ein Thema dominiert plötzlich alles: Die Flüchtlingsfrage. Dreyer zielt dabei hauptsächlich Richtung Berlin: Mehrfach forderte sie mehr Geld für die Länder und schnellere Asylverfahren. Klöckner wiederum widmet etwa ein Drittel ihrer gut einstündigen Parteitagsrede dem Flüchtlingsthema und wirft Rot-Grün im Lande vor, gegen weitere sichere Herkunftsländer zu sein und abgelehnte Asylbewerber nicht konsequent abzuschieben. „Das belastet die Kommunen, das nimmt die Kraft für die anerkannten Flüchtlinge.“

Bei dem heiklen Thema setzt Klöckner auf einen Spagat. „Denen, die fliehen müssen, weil ihre Leben in Gefahr ist, die in Lagern, hinter Stacheldraht in Kälte und Matsch stecken, wollen wir helfen“, sagt die 42-Jährige, ihnen Asyl zu gewähren sei eine moralische und rechtliche Verpflichtung. Doch sie sagt auch: „Deutschland wird nicht alles alleine schultern können, Grenzen und klare Regeln sind notwendig, damit Humanität dauerhaft funktionieren kann.“ Klöckner warnt davor, Probleme der Integration von Flüchtlingen zu tabuisieren. „Integration dauert, da hilft kein Handauflegen, sie dauert – und sie kostet Geld.“

Flüchtlingsthema dominiert derzeit die Debatte

Bis März dürften allerdings auch andere Themen wieder sichtbarer werden. Klöckner setzt ihre weiteren Schwerpunkte auf Haushalt, Wirtschaft, Bildung und Infrastruktur. Trotz sprudelnder Steuereinnahmen, niedriger Zinskosten und einer in der Landesverfassung verankerten Schuldenbremse nimmt das Land munter weiter neue Verbindlichkeiten auf. 400 Millionen Euro zusätzliche Schulden sind nach dem vom Kabinett verabschiedeten Haushaltsentwurf für 2016 geplant. „Sparen ist nicht, weniger neue Schulden zu machen“, sagt Klöckner.

Bei einem Wahlsieg werde die CDU als erstes einen Kassensturz machen. „Wir wollen wissen, wie viel Geld und Verbindlichkeiten wirklich in welchen Kassen und Nebenhaushalten stecken und wie hoch der Schuldenstand wirklich ist.“ Konstrukte wie der Pensionsfonds oder der Liquiditätspool wecken schon seit Jahren den Argwohn des Landesrechnungshofs. Ob der Pensionsfonds verfassungsgemäß ist, muss derzeit das Landesverfassungsgericht klären, wo die CDU eine Klage eingereicht hat.

Der Wirtschaft verspricht Klöckner ein „Belastungsmoratorium“, heißt: „Fünf Jahre keine zusätzlichen finanziellen oder bürokratischen Belastungen für die Unternehmen durch Landesgesetze.“ 2014 legte das Bruttosozialprodukt in Rheinland-Pfalz nur um 1,1 Prozent zu, der viertschlechteste Wert aller Bundesländer. Investieren will die CDU vor allem in die Infrastruktur, bei der der Rechnungshof jüngst einen Investitionsrückstau von fast einer Milliarde Euro bemängelte, in die Schulen und die Polizei.

CDU-Bastion zuletzt fest in SPD-Hand

Die SPD reagiert prompt: Klöckner rede das Land schlecht und bediene konservative Ressentiments, lässt Generalsekretär Jens Guth mitteilen. Das Rennen ist eng, aber noch lang: Bis zum 13. März 2016 kämpfen die Parteien um jeden Millimeter. „Es geht um alles oder nichts“, schreibt die „Rhein-Zeitung“ aus Koblenz, „der Winter 2015/16 dürfte der heißeste werden, den die rheinland-pfälzischen Polit-Meteorologen jemals verzeichnet haben.“

Die CDU will in Rheinland-Pfalz ihre frühere Bastion zurückerobern: Seit der Gründung 1946 stellte die Union 45 Jahre lang ununterbrochen den Ministerpräsidenten, regierte lange sogar mit absoluter Mehrheit, Helmut Kohl legte hier als Regierungschef von 1969 bis 1976 den Grundstein für seinen Aufstieg im Bund.

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Dreyer wiederum, die erste Ministerpräsidentin des Landes, will nicht als eine solche in die Geschichte eingehen, die nie eine Landtagswahl gewonnen hat.

Anfang 2013 hat Dreyer das Amt von Kurt Beck übernommen, der nach diversen Skandalen seinen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen erklärt hatte. Fast 19 Jahre hatte er regiert und die SPD zeitweilig zu einer absoluten Mehrheit geführt, der bisherige Höhepunkt der seit 1991 andauernden Ära der SPD-Regentschaft an Rhein und Mosel.

Kleine Parteien könnten das Duell der Großen entscheiden

Am wichtigsten Wahltag des kommenden Jahres – außer in Rheinland-Pfalz wird am 13. März 2016 auch in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt – könnte im Duell CDU gegen Rot-Grün allerdings den kleinen Parteien die Rolle des Königinnenmachers zukommen. FDP (4 Prozent), AfD und Linkspartei (je 3) kommen in der jüngsten Infratest-Umfrage nicht über die Fünf-Prozent-Hürde. Da auf sonstige Parteien zusammen weitere fünf Prozent entfallen, würde bei vergleichbarem Ergebnis am Wahlsonntag ein Resultat in der Größenordnung von rund 43 Prozent schon für eine Mehrheit reichen.

Das ist sowohl für die CDU wie auch für Rot-Grün realistisch. Sollte es allerdings nur eine der weiteren Parteien in den Landtag schaffen, müsste Rot-Grün noch erheblich zulegen, um an der Macht bleiben zu können. Die FDP, von 1991 bis 2006 Koalitionspartner der SPD in Mainz, würde bei einem Wiedereinzug in den Landtag am ehesten mit der CDU koalieren. Sollte es die AfD schaffen und für Schwarz-Gelb nicht reichen, dürfte Klöckner eine große Koalition oder Schwarz-Grün ausloten. Schafft es wiederum keine weitere Partei in den Landtag, nutzt das voraussichtlich Rot-Grün am meisten. So oder so: Im Duell der Großen werden die Kleinen entscheidend.

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