Rheinland-Pfalz Dauer-Ministerpräsident Kurt Beck ignoriert Affären und Konkurrenten

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Politik ohne Bart. Um Julia Quelle: dpa

Beck regiert das ganze Land mit dem Verständnis eines Ortsbürgermeisters. Wo ein konkretes Problem ist, da muss die Politik Abhilfe schaffen. Oder wie Beck das in seiner Autobiografie beschreibt: „Bei denen, die mit Vorliebe Grundsatzpapiere schreiben, muss ich mich entschuldigen – ich lese sie wirklich nicht gerne.“ Ob es darum geht, für das Lieblingsziel der Ausflügler im südpfälzischen Klingenmünster, die Burg Landeck, einen Spazierweg instand zu setzen, oder ob im nahen Albersweiler der Kanal versandet – kein Einzelfall ist Beck unwichtig.

„Er ist ein Arbeitstier, kämpft sich in Details rein und kümmert sich auch um Kleinigkeiten“, sagt Herbert Mertin, Chef der oppositionellen FDP-Fraktion, die bis 2006 zusammen mit der SPD regiert hatte. Jahrelang hat diese Methode, Politik zu machen, in dem kleinen Bundesland mit seinen kaum drei Millionen Wahlberechtigten erstaunlich gut geklappt. Bis heute sind ihm viele dankbar, dass Beck mit seiner Liebe zum Konkreten nach dem Abzug des Großteils der amerikanischen Streitkräfte Mitte der Neunzigerjahre Lösungen für die leeren Kasernen gesucht hat. Man könnte meinen, dass diese zupackende Art nun zum Problem würde. „Ich glaube ihm nicht, dass er über die Geschehnisse am Nürburgring nur kursorisch informiert war“, sagt Mertin, „das passt so gar nicht zu ihm, der sonst alles selbst in die Hand nimmt.“ Doch am Gescholtenen perlen sämtliche Affären ab. In seinen Wahlkampfreden erwähnt Beck sie nur beiläufig.

Kein schlechtes Wort

Wer ihn bei seinen Touren durchs Land beobachtet, wird vielmehr Zeuge eines Personenkultes, der nur deshalb kaum als solcher zu erkennen ist, weil Beck selbst so gar nichts von einer Lichtgestalt hat. Selbst die Opposition richtet ihren Wahlkampf nach drei erfolglosen Anläufen weitgehend an seiner Person aus. „Politik ohne Bart“ prangt neben der CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner auf den Plakaten. Der Landesvater ist so präsent, dass die Opposition ihre einzige Chance darin sieht, sein Image zu beschädigen.

Genau damit macht sie ihn zusätzlich stark. Denn obwohl Beck durchaus ein aufbrausendes Temperament nachgesagt wird: Angriffe der Opposition lächelt er weg. Selbst als er bei der Basiskonferenz zum Wahlkampfauftakt allein mit seinen eigenen Leuten ist, nimmt Beck über die politischen Gegner kein schlechtes Wort in den Mund, über seine Konkurrentin Klöckner sagt er bloß: „Ich kenne die Frau nicht.“ Bei vielen Veranstaltungen spricht er nicht einmal Klöckners Namen aus. Beck gibt den Kümmerer und Versöhner, demonstriert Ruhe und Souveränität — und die Opposition strampelt sich derweil aufgeregt an ihm ab.

„Er hat eine dicke Elefantenhaut“, sagt Eveline Lemke, Spitzenkandidatin der Grünen, die auf ein Comeback im Landtag hofft und nach der Wahl mit Beck möglicherweise eine Koalition bilden muss. „Die Partei hält dicht, da dringt kein Streit nach draußen. Kurt Beck schweigt zu seinen Fehlern, verweist auf seine Erfolge — und den Rest sitzt er einfach aus.“

Das funktioniert, obwohl sein wirtschaftspolitischer Kurs zuletzt wenig Leuchttürme, aber umso mehr Luftschlösser produziert hat. Die Ära Kurt Beck steht neben erstaunlichen Erfolgen in der Sozialpolitik zunehmend für mieses Management. Beck ist der Mann der kostenlosen Kindergärten und gebührenfreien Universitäten, aber auch der Geldverbrenner vom Nürburgring oder dem Flughafen Hahn, dem Schlosshotel in Bad Bergzabern oder dem Fritz-Walter-Stadion in Kaiserslautern. Es gibt kaum ein Großprojekt, bei dem nicht am Ende der Steuerzahler geradestehen musste. Der Landesrechnungshof befürchtet gar den Verlust der finanziellen Handlungsfähigkeit, wenn das Land seine Neuverschuldung nicht radikal senkt.

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