Risiko Ego-Shooter Vom Computerspiel zum Amoklauf?

Der Amokläufer von München hat Counter-Strike gespielt und sich laut Polizei „wie in einem Computerspiel bewegt“. Der IS nutzt gewaltverherrlichende Games als Teil seiner Propaganda. Wie gefährlich sind sogenannte Killerspiele?

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Experten und Studien schätzten den Einfluss von brutalen Spielen wie Counter-Strike auf die Gewaltbereitschaft der allermeisten Jugendlichen als gering bis nicht existent ein. Quelle: dpa

Berlin Nach dem Blutbad in München und den jüngsten islamistischen Attentaten sind sogenannte Killerspiele wieder in den Fokus gerückt. Laut Polizei hat sich der Münchner Amokläufer bei seiner Tag „wie in einem Computerspiel bewegt. Was steckt hinter Counter-Strike und Co.? Welche Auswirkungen haben sie wirklich? Und für wen sind die Ego-Shooter besonders gefährlich?

Werden Computerspiele mit Gewaltdarstellung jetzt verboten?

Nein, dazu wird es kaum kommen. Ein Verbot solcher Spiele sei in einem freiheitlichen Rechtsstaat „nicht der richtige Weg und wäre auch schwer umzusetzen, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in einem Zeitungsinterview. „Aber wir müssen uns intensiv darüber Gedanken machen, wie wir zu einem verantwortungsvolleren Umgang mit solchen Medien kommen.“ Das Thema ist alles andere als neu: Bereits nach den Amokläufen von Erfurt (2002), Emsdetten (2006) und Winnenden (2009) debattierten Politik und Gesellschaft. 2005 stand die Forderung nach einem Verbot sogar im Koalitionsvertrag.

Wie verbreitet sind sogenannten Killerspiele?

Die Gaming-Industrie ist ein Milliardengeschäft und dazu tragen auch Computerspiele mit Gewaltdarstellungen bei. Nach einer Studie des Medienpsychologen Rudolf Weiß aus dem Jahr 2013 spielen 62 Prozent der männlichen Achtklässler Mainstream-Shooter.

Die Meinungen über die Gefahr der Ballerspiele gehen auseinander. Welche Risiken werden gesehen?

Der Medienpsychologe Weiß sagt: „Diese Spiele tragen im großen Umfang zur Verrohung der Gesellschaft bei – aber es ist vermessen, zu sagen, dass aus jedem Spieler ein Attentäter wird.“ Er verweist auf eine aktuelle US-Studie der State University Ohio, wonach durch ausgeprägten Konsum die Empathiefähigkeit abnehmen und die Gewaltbereitschaft zunehmen kann.

Können die Spieler nicht Game und Wirklichkeit auseinanderhalten?

„Wenn man sich die Forschungslandschaft der letzten Jahrzehnte anschaut, können die Gamer sehr wohl zwischen Spiel und Realität unterscheiden“, sagt der Chef des Computerspielmuseums Berlin, Andreas Lange. „Es ist etwas grundsätzliches anderes, ob ich eine Maus bewege oder tatsächlich eine Pistole in der Hand habe.“ Solche Computerspiele gehörten bei sehr vielen Jugendlichen selbstverständlich dazu. „Zu sagen, dass die Amokläufer alle Counter-Strike gespielt haben, ist das verbindende Element, ist ähnliche kurz gedacht, wie wenn man sagen würde: das sind alles Jungs, die Hosen angehabt haben.“

Und re:publica-Gründer Johnny Haeusler schrieb auf „wired.de“: „Die plumpe Formel 'Ego-Shooter-Spieler = potenzieller Amokläufer' darf als Blödsinn bezeichnet werden.“ Experten und Studien schätzten den Einfluss von brutalen Spielen auf die Gewaltbereitschaft der allermeisten Jugendlichen als gering bis nicht existent ein.


Welche Spieler gefährdet sind

Einige Spieler scheinen aber dennoch gefährdet. Welche sind das?

Eine stabile Persönlichkeit und sichere familiäre Verhältnisse spielen eine wichtige Rolle. „Dass täglich mehrstündige CS:GO-Sessions vielleicht nicht die beruhigendste Beschäftigung für einen einsamen, psychisch labilen Menschen sein könnten - das vermuten selbst Hardcore-Gamer“, schreibt Haeusler. Und Lange sagt: Wenn bereits eine Gewaltbereitschaft und ausgeprägte Konflikte da seien, könnten diese durch einen exzessiven Konsum verstärkt werden. „Das ist nicht auszuschließen.“ Als alleinige Ursache könnten die Spiele aber nicht verantwortlich gemacht werden.

Welche Präventionen gibt es und was können Eltern tun?

Deutschland hat ein breites Jugendschutzsystem in Sachen Computerspielen, etwas durch Altersbeschränkungen und verschiedene Einstellungen auf den Konsolen. Das hiesige Schutzsystem ist das fortschrittlichste, das ich kenne, meint Lange. Tatsache ist, dass viele Filter und Einstellungen in der digitalen Welt natürlich umgangen werden können. „Man wird nicht umhinkommen, in der Familie Gespräche zu suchen. Die Eltern sollten sich darum kümmern, was ihre Kinder vor dem Computer machen, und wie lange“, sagt der Museumschef. Und Weiß meint: „Die Videos sind in der Welt, die bekommen sie nicht mehr weg. Aber die Eltern müssen sensibilisiert werden, was in den Kinderzimmern passiert.“

Killerspiele können auch andere verheerende Wirkungen haben. Inwieweit verwendet die Terrormiliz IS diese für ihre Propaganda?

Bei seiner Propaganda bedient sich der IS teils alltäglicher Mittel der Jugendkultur, etwa aus den Bereichen Hip-Hop oder Gaming. Nach Angaben der länderübergreifenden Stelle jugendschutz.net nutzt er etwa das beliebte Spiel „Grand Theft Auto“ als Anknüpfungspunkt. In gleicher Optik werden Kriegsszenen aus der Perspektive eines Dschihadisten nachgespielt. Medienpsychologe Weiß spricht von einer „medialen Gehirnwäsche“. So würde der IS mit dem Slogan locken: „Was ihr virtuell auf euren Computer spielt, könnt ihr bei uns live tun.“

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