Röttgens Kampf um den CDU-Vorsitz Du hast keine Chance, also nutze sie

Norbert Röttgen: Der frühere Bundesumweltminister und Chef des Auswärtigen Ausschusses macht bei seiner Selbstdarstellung in Social Media und TV eine ganz gute Figur. Quelle: imago images

Norbert Röttgen galt lange als Außenseiter beim Kampf um den CDU-Vorsitz. Das ändert sich aber. Wie der Außenpolitiker beim Wettbewerb ums höchste Parteiamt für Armin Laschet und Friedrich Merz gefährlich wird.

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Wer sich dafür interessiert, kennt jetzt den Hund von Norbert Röttgen und weiß, dass er von seiner Familie zur Gartenarbeit „verdonnert“ wird. Der Rheinländer hat im heimischen Arbeitszimmer schon mehrmals mit Pilsglas in die Videoschalte hineingeprostet. Mehr Geselligkeit ist in der Pandemie selten. Geht halt nicht anders. Das ist alles auf Instagram und anderen sozialen Medien festgehalten und vieltausendfach für gut befunden worden. Anders als die ebenfalls sehr ums digitale Publikum bemühten Konkurrenten um den CDU-Vorsitz, anders als Armin Laschet und Friedrich Merz, schafft es der 55-jährige Röttgen allerdings, ein bisschen dabei zu unterhalten, manchmal sogar witzig und selbstironisch rüberzukommen. Er hat diese Medien ganz gut verstanden.

Der frühere Bundesumweltminister und Chef des Auswärtigen Ausschusses macht auch in einer anderen Art der Selbstdarstellung ganz gute Figur. In Talkshows, die sich zurzeit oft auch um internationale Themen drehen, bricht er die Lage in den USA, den Streit um den chinesischen Mobilfunkanbieter Huawei oder die Widerstände gegen die fast fertige Gaspipeline Nord Stream 2 verständlich herunter. Röttgen, der Mann, der vor acht Jahren total erledigt war? Der eine Landtagswahl in NRW 2012 krachend und so ziemlich beratungsresistent verloren hatte? Den Kanzlerin Angela Merkel als einzigen Minister in ihren Kabinetten – gegen seinen Willen – entlassen hat?



Für Norbert Röttgen gilt bei dieser Außenseiter-Kandidatur ums höchste Parteiamt der CDU und für den Aufbruch in die Ära nach Kanzlerin Merkel: Du hast keine Chance, also nutze sie. Das hat er so konsequent getan, dass er nun den beiden scheinbaren Platzhirschen, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und dem früheren Unionsfraktionschef Friedrich Merz, den Erfolg streitig machen könnte. Moderner als Merz, klarer in den Positionen als Laschet und mit dem Versprechen, weder die Ära Merkel fortzusetzen, noch womöglich zu einer traditionelleren CDU von vor Merkel zurückkehren zu wollen. Röttgen sammelt die Frauen und die Jüngeren um sich. Auch in der Bundestagsfraktion hat er wegen seiner klaren Haltung in der internationalen und der Wirtschaftspolitik einige Fürsprecher.

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Jünger, weiblicher und digitaler solle die Partei sein. Dafür hat er bereits Ellen Demuth als seine Chefstrategin für die Partei vorgestellt. Die Digitalpolitikerin und Landtagsabgeordnete in Rheinland-Pfalz wäre wohl Anwärterin als Generalsekretärin der Partei. Doch Paul Ziemiak macht den Job gut und soll ihn im stressigen Wahljahr mit seiner Erfahrung durchziehen. Laschet hat den Sozialflügel hinter sich und die, die die Ära Merkel am bruchlosesten unter ihm fortgesetzt sehen. Merz hat die Wirtschaftsleute der Partei erneut um sich geschart, viele Etablierte, obwohl er doch gegen das „Parteiestablishment“ wetterte, das ihn zu verhindern suche. Auch die Junge Union könnte ihm zu Stimmen verhelfen.

Es ist alles anders in diesem von der Coronapandemie überzogenen Jahr in der Politik. Heute am Montag haben die Gremien der Partei entschieden, dass der Bundesparteitag mit der Wahl eines neuen Chefs nach der seit zwei Jahren amtierenden Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer nun endlich stattfinden soll. Am 15. und 16. Januar 2021 sollen die gut 1000 Delegierten digital einen Chef unter den drei Kandidaten aussuchen. Zuhause am Bildschirm und in der digitalen Wahlkabine. Abgestimmt wird, bis einer die absolute Mehrheit der Delegiertenstimmen hat. ES schließt sich eine Briefwahl für den gesamten Parteivorstand mit dem Neuen an der Spitze an, die am 22. Januar mit der Auszählung in Berlin das Ergebnis bringen soll.

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Das alles ist neu und rechtlich wie praktisch noch nicht ganz ausgetestet. Niemand von den Oberen der Partei weiß, wie sich Delegierte sortieren und vielleicht absprechen über ihre Favoriten, wenn nicht wie sonst üblich, bei den Delegiertenabenden vor dem Abstimmungstag die Atmosphäre geprägt wird.

Wer weiß schon, ob dann Laschet, Merz oder Röttgen die Nase vorn hat – oder noch ein anderer Kandidat antritt. Manche haben da immer noch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn auf dem Zettel, der aber eigentlich als zweiter im Team Laschet auftritt. Manchmal fällt auch der Name des Unionsfraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus, der fünfte CDU-Mann aus NRW mit Ambitionen auf Höheres.

Die Überraschung unter den bisherigen Drei aber ist Röttgen. Ein Politiker-Ranking des Forsa-Instituts im Auftrag der Sender RTL und Ntv hat Röttgen nach oben katapultiert. Sechs Punkte legte der Rheinländer zu und kam auf 41 Punkte. Friedrich Merz hingegen verlor zwei Punkte und landete bei 33 Punkten. Nach oben ging es auch um zwei Punkte für Armin Laschet, der beim Bewerber-Trio mit 42 Punkten noch vorne lag.


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Röttgen hat schon ein lange Strecke hinter sich. Er nennt das Ganze im Netz die #RoettgenRallye. Als der frühere Umweltminister und jetzige Außenpolitiker antrat, wirkte das ein bisschen wie der Versuch, späte Rache zu nehmen. Er wollte auch nicht ins Team Laschet – Spahn. Talkshow kann er. Und das ist es ja auch, was am heutigen Montagabend im kleinen Rahmen und unter der Regie der CDU stattfindet. Dann stellen sich alle drei Online und im Fernsehen den Fragen von CDU-Mitgliedern.

Mehr zum Thema: Im Interview mit der WirtschaftsWoche sprach Norbert Röttgen über seine Wirtschaftsagenda und die Fehler im Kampf gegen Corona.

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