Ronald Focken "Zuhören ist wichtiger als vollquatschen"

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"Den Parteien fehlt eine klare Richtung"

Was muss eine Partei – betrachtet man sie als Marke – mitbringen, damit Menschen ihr vertrauen und ihr gegenüber loyal sind?
Sie muss eine klare Berechenbarkeit haben, die Sicherheit, dass sie Versprechen auch einhält. Und da ist es egal, ob es um Wähler geht oder Kunden im Supermarkt oder beim Autokauf. Wesentlich ist: Die Menschen wollen ernst genommen werden. Wenn Sie als Kunde heute mit einem Produkt ein Problem haben, und Sie äußern sich dazu bei Facebook oder einem anderen sozialen Kanal, dann erwarten Sie eine Antwort. Marken, die das nicht liefern, verlieren die Menschen.

Zuhören ist heute wichtiger als vollquatschen. Das gilt auch für Parteien. Gerade bei der SPD entstand doch zuletzt zu oft der Eindruck, dass sie sich mehr mit sich selbst und ihren Personalien beschäftigt als mit den Anliegen ihrer Wähler. So landet man bei 16 Prozent.

Aber anders als Waschpulver besteht eine Partei nun einmal aus unterschiedlichen Stimmen, wie soll da ein Markenbild entstehen?
Klar, das ist Demokratie, auch Parteien spiegeln unterschiedliche Interessen. Aber die Grundrichtung muss stimmen und konsistent erzählt werden. Die SPD muss den Leuten signalisieren, dass sie für Themen steht, die für sie relevant sind. Diese Themen können ruhig polarisieren – Willy Brandt hat das auch, und auch Gerhard Schröder war nicht nach jedermanns Geschmack. Aber er stand für etwas. Und da hapert es nicht nur bei der SPD, sondern auch bei CDU und CSU. Es fehlt ihnen eine klare Richtung.

Sind jüngere Wähler und Kunden per se weniger loyal? Gibt es die klassische Bindung an Parteien und Marken überhaupt noch?
Es gibt insgesamt eine generelle Erosion beim Thema Bindung. Das ist so. Die ist bei jungen Leuten aber noch viel stärker ausgeprägt als bei älteren. Die unter 25-Jährigen haben gerade in der Politik einen sehr pragmatischen Ansatz:  Wenn sie den Eindruck haben, ein Politiker oder eine Partei liefert ihnen nicht das, was er versprochen hat, dann schwenken sie um. Traditionelle Bindungen kennen sie nicht mehr. Das gilt genauso für Marken, Dienstleistungen und Produkte. Die Konsumenten wechseln die Marken viel schneller als früher. Das sehen wir zunehmend auch bei den älteren Zielgruppen ‑ Treue ist viel brüchiger geworden.

Was lässt sich dagegen tun?
Gegenwirken kann man nur durch eine stärkere Differenzierung. Die Menschen wollen wissen, wofür ein Produkt, wofür eine Partei, wofür ein Politiker steht. Da hat die SPD natürlich auch deshalb ein Problem, weil die CDU Themenfelder abgeräumt und besetzt hat, die früher einmal für die SPD gepachtet waren. Das ist auf Sicht natürlich auch gefährlich für die CDU. Wer hätte denn vor zehn Jahren gedacht, dass die CDU einmal die Partei des Atomausstiegs sein würde oder dass sie den Wehrdienst abschafft? Alles Themen, die einmal zu ihrem Markenkern gehört haben, und die dazu beigetragen haben, dass sie eine loyale Wählerschaft hatte. Doch die Konturen verschwimmen – und damit schwindet auch Loyalität.

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