Rot-gelb-grüne Koalitionsverhandlungen Die Pläne einer Ampel werden kaum finanzierbar sein

Eine Ampel-Koalition im Bund ist jederzeit denkbar. Für die CDUler im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin sicher keine schöne Vorstellung. Quelle: dpa

Die Ampel-Parteien wollen Koalitionsverhandlungen aufnehmen. Doch diese neue Einigkeit kann nicht darüber hinwegtäuschen, das vieles ungeklärt bleibt bei Steuern, Schulden und Haushalt. Das sind die drei Szenarien. Eine Analyse.

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Nun ist es offiziell: SPD, Grüne und FDP wollen den Schritt wagen und Koalitionsgespräche aufnehmen. Das haben die Unterhändler der drei Parteien am Freitag empfohlen. Zwar müssen FDP und Grüne den Weg parteiintern noch offiziell freimachen. Doch alle Zeichen stehen nun auf Ampel. Damit ist auch klar: Die wahrscheinlich nächste Bundesregierung wird zu Beginn und dann fortlaufend mit finanziellen Unstimmigkeiten und knappem Geld wird kämpfen müssen.

Da sind die großen Themen Klimaschutz und Modernisierung der Infrastruktur mitsamt der Digitalisierung, die einen kompletten Umbau der Volkswirtschaft innerhalb weniger Jahre bedeuten würden. Da sind die sozialen Versprechen der SPD, etwa zu Rente und einer Abfederung der Kosten beim Klimaschutz für Verbraucherinnen und Verbraucher. Auch das wird mutmaßlich kostspielig für den Etat. Dagegen steht das Versprechen der FDP, die Schuldenbremse zu beachten und keine neuen Steuern mitzutragen vielmehr eine Entlastung anzustreben.

Wie soll das gehen? Mit viel Geknirsche im Getriebe einer Koalition und auf drei verschiedene Weisen, die aber alle mit Tricks oder Zumutungen verbunden sind.

Die drei Parteien wissen, dass ihnen eigentlich nur bleibt, gleich zu Beginn das Grundgesetz zu biegen und sehr wahrscheinlich zu brechen. Sie könnten die Notlagenklausel ziehen, die der Schuldenbremse in der Verfassung beigestellt ist. Oder sie könnten mit Nebenhaushalten arbeiten, mit Fonds für die Finanzierung bestimmter Zwecke, für die dann die Schuldenregel nicht gilt. Das wäre aber auch vor allem ein formeller Trick, weil das Geld am Ende auch aufgetrieben werden muss und mutmaßlich zu Lasten der Jüngeren hängen bleibt. Nachhaltige Politik sieht anders aus. Bliebe eine dritte Möglichkeit, die ein deutliches Signal für einen Aufbruch aussenden würde, die zugegen aber mühsam ist: Den Haushalt wie schon oft versprochen nach unsinnigen, veralteten oder ineffizienten Ausgaben und Subventionen durchforsten und umsteuern.

Der Reihe nach – Möglichkeit eins: Schon jetzt fragen die wartenden Journalisten und Journalistinnen die Ampel-Runde immer wieder danach, ob sie vielleicht wiederholen wolle, was Finanzminister Olaf Scholz 2020 und 2021 getan hat, als das Coronavirus die Wirtschaft lahmlegte und Existenzen an den Abgrund brachte. Er machte die Notlagenklausel der Schuldenbremse geltend. Schon jetzt diskutieren Ökonomen wie DIW-Chef Marcel Fratzscher und Clemens Fuest vom Ifo-Institut, noch einmal eine dreistellige Milliardensumme aufzunehmen für 2022, noch einmal auf die Ausnahmesituation Corona zu verweisen, und dann das Geld für Investitionen in den Folgejahren zu verwenden.

Die bisherige schwarz-rote Koalition hat allerdings den enormen Kreditrahmen, den der Bundestag für die zwei Corona-Jahre bewilligte, noch nicht ausgeschöpft. Dennoch ist die Verschuldung drastisch gestiegen. Nun noch einmal ein drittes Corona-Jahr zu postulieren, obwohl die Wirtschaft wieder wächst und sich das Leben normalisiert, das dürfte angreifbar sein. Wo wäre die Notsituation, die sich der Kontrolle des Staates entziehe und den Etat erheblich beeinträchtigt? Eine solche Politik dürfte vor dem Bundesverfassungsgericht landen.

Zweite Möglichkeit: die Nebenhaushalte über Fonds. Sie lässt sich nicht wirklich als nachhaltig bezeichnen. Auch sie bürdet den Jüngeren wieder Kosten auf, die anfallen, weil vorher schon Ausgaben und Schulden ausgeweitet wurden und nun kein Spielraum im Etat bleibt. Doch sie hat einzelne Vorteile: Nebenhaushalte und Sonderfonds einrichten. Die Grünen haben so etwas bereits vorgeschlagen, als klar wurde, dass für eine Aussetzung der Schuldenregel wohl schwer eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag zu Stande kommt. Die FDP zumindest ist strikt dagegen.



Nebenhaushalte würden aus Krediten gespeist, die nicht in die Schuldenregel einbezogen würden. Solche Etats oder Fonds wären zweckgebunden und müssten zumindest den europäischen Regeln der Kreditbegrenzung entsprechen. FDP-Parteichef Christian Lindner, der Finanzminister werden könnte, hat schon ein Instrument für Investitionen neben der Schuldenbremse in die Diskussion gebracht. Eine Annäherung.

Das Instrument könnte nach dieser Lesart Sondervermögen heißen und könnte vom Bundestag mit einfacher Mehrheit für bestimmte definierte Bereiche auf den Weg gebracht werden. Schon jetzt gibt es so ein Sondervermögen, genannt „Energie- und Klimafonds“. Dieses Vehikel fällt allerdings noch unter die Schuldenbremse. Nun könnte gelten. Die FDP behält die Schuldenbremse, die Grünen erreichen, dass sie nach ihren Plänen für den Klimaschutz eingeschränkt wird.

Schließlich gibt es noch eine dritte Möglichkeit, größere Beträge für den Bundeshaushalt aufzutreiben. Gerade Grüne und FDP haben es oft genug gefordert und immer wieder konkrete Vorschläge gemacht. Die Ausgaben könnten durchkämmt werden, ein Kassensturz gemacht werden. Es gibt eine ganze Reihe kostspieliger Subventionen und Ausgaben, die teuer sind und nicht mehr zeitgemäß. Allerdings ist das Umsteuern hier schmerzhaft, weil viele Interessengruppen aufjaulen werden, wenn Vorteile gestrichen werden.

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Dazu gehören Zulagen beim Kauf eines Eigenheims, die Pendlerpauschale, Sparerfreibeträge, Dienstwagenprivilegien oder der Arbeitnehmerpauschbetrag. Auch umfangreichen Zuschüsse für den Schienenverkehr, Werften, Landwirtschaft und Fischerei sind nicht immer zielgerecht. Warum eigentlich nicht? Das wäre ehrlich und am wenigsten auf Kosten der Jungen, die ja Grüne und FDP dorthin gebracht haben, wo sie nun womöglich regieren können.

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