Können Sie dazu schon eine Aussage machen?
Wir sehen, dass wir vielleicht alle 30 Jahre eine Pandemie haben. Das war bisher der Schnitt. Die Frage ist: Wird sich das jetzt verändern? Wir haben schon einen enormen Biodiversitäts-Druck. Wir bauen Wälder ab, und indem wir Habitate verändern, werden sich die Viren, die zumal in irgendwelchen Tieren vorhanden sind, einen neuen Träger finden.
Gibt es deshalb mehr Übertragungen?
Das ist immer noch schwierig zu sagen. Wir beobachten es. Wir sehen, dass diese Fälle zunehmen. Die Frage ist, hat die Wissenschaft einfach mehr gemacht? Schaut sie genauer hin, oder sind es effektiv mehr Fälle? Das ist noch ungeklärt.
Darf man sich das so vorstellen, wie wenn mehr Polizisten auf Streife gehen? Dann finden sie vielleicht auch mehr Diebe.
Das ist genau so. In vielen Ländern werden die Fälle auch gar nicht richtig erfasst. Die Gesundheitssysteme und epidemiologischen Zentren sind nicht so ausgebaut, dass wir Afrika oder irgendwo im asiatischen Raum diese zoonotischen Übertragungen wirklich feststellen. Da hat sich in den letzten Jahren aber einiges getan. Deshalb sehen wir tatsächlich: Da passiert viel. Es war deshalb nicht unwahrscheinlich, dass irgendwann das Coronavirus wieder auftauchen wird. Dass es nun in diesem Maße kam, das ist auch Pech.
Sie sind selbst Naturwissenschaftler. Hatten Sie jemals persönlich etwas in der Art erwartet?
Gute Frage. Vom Modell her ja. (lacht) Aber man glaubt es erst, wenn es wirklich wahr ist. Wir hatten auch verschiedenste Events zu diesem Thema. Man ist sich des Themas bewusst und wahrscheinlich auch bewusster als das in anderen Industrien der Fall wäre. Es gehört einfach mit dazu. So etwas fließt natürlich auch in unseren Prämienmodus ein.
Hat ein Großteil der Welt die Gefahr dennoch unterschätzt?
Der Global Health Security Index kam 2019 raus, im Jahr vor der Pandemie. Er ist also wirklich aktuell. Dort wurden 195 Länder untersucht, wie gut sie auf eine Pandemie vorbereitet waren. Wenn wir uns das heute anschauen – ich glaube Deutschland war auf Platz 14. Die USA waren auf Platz 1. China war auf Platz 51 und überhaupt nicht vorbereitet, wenn man nur nach dem Index geht. Da sieht man schon, was überschätzt wurde.
Der Index konzentrierte sich stark auf die Qualität der Gesundheitssysteme.
Bei einigen Ländern hat das auch funktioniert. Finnland war auch unter den Top 10. Und dort war man dann auch in den Top 10, als es darauf ankam. Die USA nicht. Ich denke, das hat eine politische Dimension, wie eine Situation dann gemanagt wird. Sind denn die Politiker willens und bemächtigt, auch zu agieren und bestehende Pandemie-Pläne umzusetzen? Denn Pandemie-Pläne haben ja existiert.
Vielerorts aber in den Schubladen.
Das kostet natürlich. Lager aufzubauen, Schutzmasken usw. aufzubewahren und Medikamente. Das kostet sehr viel Geld. Darum muss die Politik natürlich Entscheidungen treffen. Aber as sind nie Entscheidungen, die schnell umgesetzt werden, wenn eine Pandemie nur alle 30 Jahre vorkommt. Und dann klopft die Pandemie an die Tür…
Werden wir in Zukunft besser auf der Hut sein?
Nach dieser Covid-19 müssen wir unser Pandemie-Modell wieder rekalibrieren. Denn die Länder werden hoffentlich aus der Erfahrung lernen. Das Virus wird uns weiter begleiten. Die jährliche Impfung wird sicher auf uns warten. Wir haben schon Langzeit-Verhaltensänderungen: Hygienemaßnahmen, Händewaschen, Maskentragen usw. Das werden wir auch in Zukunft machen müssen. Wie wir das in Asien schon vor der Pandemie gesehen haben. Ich hoffe, dass einiges bleiben wird.
Erwarten Sie auch Lehren für andere Hochrisiko-Themen? Für den Umgang mit dem Klimawandel?
Die beiden Themen hängen zusammen. Stichwort Biodiversitätsdruck durch Ökosystem-Entwicklungen. Der Klimawandel in diesem Umfeld bringt neue Gefahren mit sich. Er wird dazu beisteuern, dass wir auch in Zukunft andere Epidemien sehen wie etwa das Zika-Virus. Das sind Moskito-basierte Viren. Aber die haben sich auch verbreitet mit dem Klimawandel. Ich hoffe, dass wir dem Thema Klimawandel begegnen. Wir hatten ja schon ein richtiges Momentum. Das ist leider durch Covid-19 untergegangen. Ich hoffe, das Momentum kommt zurück.
Mehr zum Thema: Wie sich der Rückversicherer Swiss Re auf neue Pandemien vorbereitet