Rückzug Seehofers Wenig erreicht im Heimwehministerium

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat sich das Thema

Mit viel Trara hat sich Bundesinnenminister Horst Seehofer für sein Ministerium die neue, wohlklingende Zuständigkeit „Heimat“ ausgedacht. Nur wofür? Erreicht hat er bislang wenig.

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Die Menschen in Deutschland sollten dort gut leben können, wo sie gerne leben wollen, und zwar egal, ob das im wirtschaftlich starken Süden oder im sich mühenden Ruhrgebiet ist, in einem bayerischen Dorf oder in der Hauptstadt Berlin. Das meint Bundesinnenminister Horst Seehofer, wenn er in bestem Politikerdeutsch von gleichwertigen Lebensverhältnissen spricht.

Als Seehofer das Innenministerium übernahm, hat er seinem Haus nicht nur Bauen und Wohnen als Themen einverleibt, er hat sich auch die neue Zuständigkeit „Heimat“ ausgedacht, mehr Gefühl als greifbares Ressort. Sein Thema sollte das werden. Doch erst jetzt, wo darüber gemutmaßt wird, Seehofer könne nicht nur den CSU-Parteivorsitz, sondern auch das Amt des Innenministers aufgeben – was Seehofer noch zurückweist – entdeckt er plötzlich seinen Eifer dafür.

Gerade hat Seehofer bei einer Debatte im Bundestag über die gleichwertigen Lebensverhältnisse gesprochen. Er kam überpünktlich, als solle das beweisen, wie wichtig ihm seine Rede war. Aus seiner Arbeit als bayerischer Ministerpräsident könne er sagen, verschwänden Schulen und Ärzte aus einer Region, „ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Menschen wegziehen“. In den einzelnen Regionen lebten die Menschen in Deutschland „höchst unterschiedlich“. Dies zu ändern sei eine zentrale Aufgabe der Regierung.

Mehr oder weniger deutlich lautete die Botschaft in Seehofers Rede auch: In Bayern haben wir das Leben auf dem Land gestärkt – seht her, was wir damit erreicht haben. Im Grunde meinte Seehofer: Was ich erreicht habe. Es ist der Versuch, das Bild von sich, das bleiben wird, noch einmal zu beeinflussen – sollte seine Zeit als Politiker doch nicht mehr allzu lange andauern.

Denn auch in Sachen Heimat hat Seehofer bislang wenig erreicht. Man kann ihm durchaus vorwerfen, es noch nicht einmal versucht zu haben. Er hat im guten ersten halben Jahr im Amt nicht nur seinen Schwerpunkt, sondern sein ganzes Wirken auf die Innenpolitik gelegt. Oder sollte man es besser Stören als Wirken nennen?

Viele werden sich hauptsächlich daran erinnern, wie Seehofer forderte, anderswo registrierte Flüchtlinge an der Grenze zurückzuweisen. Wie er, wenn nicht freudig, so zumindest spöttisch berichtete, an seinem 69. Geburtstag seien 69 Afghanen abgeschoben worden - und dann die Zuwanderung die „Mutter aller Probleme“ nannte.

Die Heimat dagegen, sein selbst gefundenes Projekt, liegt brach. Eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Tobias Lindner und Britta Haßelmann (Grüne) hat gezeigt, dass nur 55 von 98 Stellen im Fachbereich „heimatbezogene Innenpolitik“ (von insgesamt 2000 im gesamten Ministerium) tatsächlich der Abteilung Heimat zugeordnet sind. Anfang Oktober waren außerdem erst 61 dieser 98 Stellen besetzt, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland zuerst berichtet hatte.

Seehofer hat eine Kommission eingesetzt, die zunächst einen Deutschland-Atlas erstellen soll: Wo muss für gleichwertige Lebensverhältnisse besonders viel getan werden? Das Ergebnis steht noch aus. Dafür zeigt sich umso mehr die Ironie des Heimatministeriums. Gut 500 Kilometer weit entfernt liegt es von Seehofers Heimat in Ingolstadt. Dass der Minister mit Berlin fremdelt, ist kein Geheimnis. Da passt der Spitzname für sein Haus, den sich Spötter ausgedacht haben: Sie nennen es Heimwehministerium.

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