Es ist eine Steilvorlage für CDU-Chef Friedrich Merz. Eigentlich sollte der Bundestag diese Woche über das Sondervermögen für die Bundeswehr abstimmen. Aber daraus wird erst einmal nichts. Die Unterhändler von Ampel und Union konnten sich nicht rechtzeitig einigen. Vor allem das Auswärtige Amt von Annalena Baerbock bremste offenbar. Ausgang bislang offen. Ein Vertreter der in Rüstungsfragen oft zögerlichen Grünen, Co-Chef Omid Nouripour, betonte noch dazu im Anschluss: Man habe keinen Zeitdruck, und müsse die Sache nicht übers Knie brechen. Das ist besagte Steilvorlage für Merz. Der musste nur noch trocken hinzufügen: Eigentlich seien sich alle einig, nur „die Grünen sind nicht so weit“.
Nun könnte man von gewöhnlichem Tauziehen innerhalb der Ampel-Regierung sprechen. Davon, dass guter Politik immer ein Interessenausgleich vorausgeht. Zumal, wenn es wie hier um eine Grundgesetzänderung geht, die eine breite parlamentarische Mehrheit benötigt. Eine Verschiebung der Abstimmung wäre in dieser Lesart tatsächlich kein Problem. Die Grünen bestanden von Kriegsbeginn an auf eine durchdachte Lösung für das Sondervermögen, einem weit definierten Sicherheitsbegriff und auf darauf aufbauende Investitionen der 100 Milliarden Euro. Ähnliches hört man übrigens auch aus Koalitionskreisen: Eigentlich gebe es keinen Streit, die Positionen seien nahe beieinander. Ein Kompromiss? Zwischen Ende Mai und Anfang Juni.
Ein Problem gibt es aber nun einmal trotzdem. Zwei weitere Wochen Verzögerung senden eine falsche Botschaft. Schließlich läuft die Uhr, seit Kanzler Olaf Scholz Ende Februar seine Zeitenwende-Rede gehalten hat. Jene Ampel, die noch vor kurzem einen Tankrabatt mit müden Augen und stolz wie Oskar nach nur einer Nacht präsentierte, robbt sich nun allenfalls Schritt für Schritt voran bei einer der relevantesten sicherheitspolitischen Fragen unserer Zeit.
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Das Signal ist: Gleichgültigkeit. Die Zeitenwende droht zu verpuffen. Vielleicht fehlt mittlerweile der nötige politische Druck einer Öffentlichkeit, die sich an den Krieg zu gewöhnen beginnt. Aber das Zögern hat Konsequenzen. Soldatinnen und Soldaten müssen weiter auf konkrete Entscheidungen für spürbar bessere Ausrüstung warten, Deutschland verzichtet auf eine Führungsrolle in der Nato, die Ukraine verfügt noch immer nicht über die nötigen Panzer für die Verteidigung. Und Wladimir Putin erkennt, wie schnell Einigkeit brüchig werden kann. „Typisch Demokratie“ eben, werden er und seinesgleichen sich denken.
Das kann es nicht sein. Wer Zeitenwende sagt, muss eine Zeitenwende einleiten können. Dass der Ampel dies gerade misslingt, zeigt der ziemlich problemlos erreichbare Oppositionserfolg von Friedrich Merz. Der braucht nur den Finger in die Wunde zu legen.
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