Ruhestand mit 75

SPD sollte Rentendebatte ehrlich führen

Die SPD diskutiert über die Zukunft der Alterseinkommen. Und fällt dabei in vorvergangene Zeiten zurück. Die Wahrheit ist: Unsere Kinder müssen fünf Jahrzehnte ackern - und haben nichts für ihr Greisendasein zu hoffen.

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Ackern bis 75? In der Rentendebatte täte die SPD gut daran, die Deutschen auf die bittere Wahrheit vorzubereiten. Quelle: dapd

Manchmal, wenn man die Nachrichtenlage überblickt, fragt man sich als Redakteur, was eigentlich falsch läuft im politischen Betrieb.  Eine Antwort auf diese Frage ist gar nicht so leicht, auch wenn man ahnt, dass sie etwas mit Erkenntnissen auf der einen Seite und mit der politischen Umsetzung der Erkenntnisse auf der anderen Seite zu tun hat - vor allem aber mit der Differenz, die dazwischen liegt.

Es war ja beispielsweise nicht unbekannt, dass von defekten Atomkraftwerken Strahlen ausgehen, die so unschöne Folgen zeitigen, dass keine Versicherung der Welt für sie haften mochte - trotzdem wurden diese Atomkraftwerke unter dem Beifall von so genannten „Markt“wirtschaftlern gebaut. Oder nehmen wir die Frauenquote: Jeder, der auch nur halbwegs bei Sinnen ist, möchte endlich die Lohnlücke zwischen Mann und Frau schließen, vor allem aber die Peinlichkeit überwinden, dass frau sich immer noch für jeden Lebensentwurf rechtfertigen muss – und man für keinen. Aber kaum wird Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) symbolisch konkret (Quote in Aufsichtsräten) , schon fallen sie alle über den „Dirigismus“ der Ministerin her.

Welche Auswirkung die Inflation auf die Rentenlücke hat
Eine Hand hält Geldscheine und einen Kassenbon über einer Einkaufskiste mit Lebensmitteln Quelle: dpa
Eine Hand nimmt am 22.01.2010 eine Euro-Münze aus einem Geldbeutel Quelle: dpa
Eine Kundin bezahlt an der Kasse in einem Supermarkt in Karlsruhe ihren Einkauf Quelle: dapd
Ein Rentner demonstriert und hält dabei eine Weste in den Händen, auf der "Rente muss zum Leben reichen" zu lesen ist. Quelle: dpa
Hinter dem Griff seines Gehstocks ist ein Rentner vor einem Computer zu sehen Quelle: dpa/dpaweb
Als Miniaturfiguren sind zwei Senioren am Montag (10.09.2012) in Schwerin auf Euro-Münzen zu sehen Quelle: dpa

Falsch verstandene Solidarität

Das Fukushima der SPD ist die Rente mit 67 – und die Quote vom Dienst bei den Sozialdemokraten ein erkenntnisgetriebener Mann: Peer Steinbrück, Kanzlerkandidat. Die Partei ist gerade dabei, den Ausstieg aus dem Einstieg in eine ehrliche Rentenpolitik vorzunehmen - und Steinbrück der Mann, der das alles über sicher ergehen lassen muss, weil falsch verstandene Solidarität zur SPD gehört wie falsch verstandene Frauenemanzipation (die selbstbestimmte Hausfrau!) zur Union. 

Um was geht es? Die SPD hat vor einigen Jahren überraschenderweise Kenntnis erhalten vom demographischen Wandel und an der Seite der Union die so genannte „Rente mit 67“ eingeführt. Kernstück der Reform war die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters - mithin die Verlängerung der Lebensarbeitszeit – mit dem Ziel, die Rentenkassen zu entlasten und das Rentenniveau einigermaßen stabil zu halten. Freilich, schon damals war sonnenklar, dass die „Rente mit 67“ nicht ausreichen wird, um Arbeitnehmern nach dem Ende ihres Erwerbslebens ein Niveau von 50 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns zu garantieren. Mit einiger Verspätung ist das nun auch der SPD aufgegangen. Sie hat in den vergangenen Wochen eifrig über das Thema diskutiert und hat beschlossen, eine Absenkung des  Rentenniveaus auf 43 Prozent skandalös zu finden.

Nun wäre es naheliegend, den Skandal durch eine weitere Anhebung des Rentenalters auf sagen wir: 75 Jahre, zu beheben und das Niveau dadurch stabil zu halten. Aber nee, sagt die SPD, weil es in Deutschland fast nur noch schwerstarbeitende Stahlarbeiter, Kohlekumpels (und Dachdecker) gibt, ansonsten aber ausnahmslos Burn-Out-Geschädigte, sei vielmehr dafür Sorge zu tragen, dass eine Mindestrente von 850 Euro eingeführt wird – sowie eine garantiert abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren.

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