Rundfunkbeitrag Mit der Erhöhung rückt eine Reform in weite Ferne

Das Bundesverfassungsgericht verkündet an diesem Donnerstag seine Entscheidung über Verfassungsbeschwerden der öffentlich-rechtlichen Sender ARD, ZDF und Deutschlandradio gegen die Blockade der Rundfunkbeitragserhöhung durch Sachsen-Anhalt. Quelle: dpa

Es geht um 86 Cent: Sachsen-Anhalt hatte die Anhebung des Rundfunkbeitrags zum Jahreswechsel blockiert. Das geht so nicht, sagt das Bundesverfassungsgericht. Was dies für die Reform von ARD und ZDF bedeutet.

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Bei vielen Fernsehzuschauern und Beitragszahlern ist es ein Reflex: Geht es darum, wie viel Geld die öffentlich-rechtlichen Sender im Jahr für ihre Programme vom Bürger bekommen, platzt vielen schnell die Hutschnur. Acht Milliarden Euro! Eine enorme Summe. Und jetzt wollen ARD, ZDF und Deutschlandradio noch mehr?

Wer sich nun Hoffnungen gemacht hatte, das Bundesverfassungsgericht werde dem am Donnerstag mit seinem Urteil einen Riegel vorschieben und den „Beitragsrebellen“ aus Sachsen-Anhalt Recht geben, die mit ihrer Entscheidungsverweigerung im vergangenen Dezember die Erhöhung zunächst blockiert hatten, sieht sich enttäuscht. Allerdings: War da wirklich anderes zu erwarten?

Ganz nüchtern betrachtet: nein.



Einerseits waren dazu die Gründe, die das Land Sachsen-Anhalt in seiner eilig zusammengeschriebenen Begründung anführte, fadenscheinig. Und andererseits überwog der Eindruck, das Land verweigere vor allem aus tagespolitischen Gründen die Abstimmung über den Rundfunkbeitrag – die Landes-CDU trieb wohl schlicht die Angst um, bei der Landtagswahl gegenüber der AfD an Boden zu verlieren, die den Rundfunkbeitrag seit Langem als populäres Kampfthema für sich ausschlachtet.

Nüchterne Prüfung

Die Karlsruher Richter haben stattdessen eines getan: ganz nüchtern überprüft, ob die Vorgehensweise des Bundeslandes rechtlich haltbar ist oder nicht. Und da schreiben sie Sachsen-Anhalt nun sehr klar ins Stammbuch, dass die schlichte Zustimmungsverweigerung nicht das Mittel der Wahl sein kann, wenn es um die grundsätzliche Frage danach geht, wieviel Geld ARD und ZDF bekommen.

Stattdessen ist dies, und das betonen die Verfassungsrichter, eine grundsätzliche politische Entscheidung. Sie unterstreichen, es gelte zu trennen zwischen „der allgemeinen Rundfunkgesetzgebung und der Festsetzung des Rundfunkbeitrags“. Diese solle „Risiken einer mittelbaren Einflussnahme auf die Wahrnehmung des Programmauftrages ausschließen und damit die Programmfreiheit der Rundfunkanstalten sichern“.

Nicht alles durchwinken

Heißt das nun, ARD und ZDF können machen, was sie wollen und dann einfach die Hand aufhalten, um sich alle Wünsche finanzieren zu lassen? Das heißt es nicht. Auch hier sind die Verfassungsrichter sehr klar. Die Bedeutung der Rundfunkfreiheit führe nicht automatisch dazu, „dass gesetzliche Programmbegrenzungen von vornherein unzulässig wären“. Die Länder seien auch nicht verpflichtet, „jede Programmentscheidung einer Rundfunkanstalt finanziell zu honorieren“.

Was die Verfassungshüter nun machen, ist klar: sie spielen den Ball zurück an die Politik. Wer in Deutschland grundsätzlich etwas daran ändern will, wie öffentlich-rechtlicher Rundfunk aussieht, wie groß er ist, mit wie viel Geld er ausgestattet wird, der muss selbst ein klares Konzept für dieses System entwickeln, dafür werben und ein Einverständnis zwischen den Ländern herstellen.

Auftrag ist Auftrag

Der Chef der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), Heinz Fischer-Heidelberger hat das sehr klar benannt, darauf verweisen auch die Verfassungsrichter: Es liege im ureigenen Aufgabenbereich der Medienpolitik, das heißt der Länder als Rundfunkgesetzgeber, Veränderungen herbeizuführen.

Solange also der Auftrag an ARD, ZDF und das Deutschlandradio so ist, wie er aktuell definiert ist, solange haben die Anstalten auch einen verfassungsrechtlich garantierten Anspruch darauf, diesem Auftrag entsprechend finanziert zu werden.

Und eines kann man den Verfassungsrichtern nicht vorwerfen – blauäugig auf die Argumente von ARD und ZDF zu hören und den öffentlich-rechtlichen alles durchzuwinken. Die Karlsruher Juristen sehen durchaus die Notwendigkeit einer externen Kontrolle der Bedarfsanmeldung, schließlich böten „die Anstalten aufgrund ihres jeder Institution eigenen Selbstbehauptungs- und Ausweitungsinteresses keine hinreichende Gewähr dafür, dass sie sich bei der Anforderung der finanziellen Mittel im Rahmen des Funktionsnotwendigen halten“.

Was passiert nun?

Karlsruhe legt die Rundfunkgebühr mit seinem Urteil rückwirkend zum 20. Juli auf eine Höhe von 18,36 Euro im Monat fest. Dies gilt solange, bis die Länder sich auf einen neuen Rundfunkstaatsvertrag geeinigt haben. Wie schnell das geht, ist offen. Dass der dann nicht eben zu einer geringeren Gebühr führen wird, liegt nahe.

Öl ins Feuer gießen

Theoretisch wäre es ARD, ZDF und Deutschlandradio nun möglich, für die im ersten Halbjahr entgangenen Gebührenerträge eine Kompensation zu verlangen. Ob sie dies tun werden ist offen – wollten sie nicht weiteres Öl ins Feuer gießen, sind sie wohl gut beraten, es erst einmal mit der nun verkündeten Erhöhung bewenden zu lassen.

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Bleibt noch die eine Frage: Kommt denn nun eine große Reform?

So schnell sicher nicht. Der Fachdienst Medienkorrespondenz hatte kürzlich berichtet, dass die Länder die weiteren Beratungen über Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vor allem auf Wunsch von Bayern und Nordrhein-Westfalen um mehrere Monate verschieben wollen – bis nach der Bundestagswahl im September. In vielen Punkten gebe es noch Einigungsbedarf. Und das klingt nach allem. Aber sicher nicht nach einer schnellen Lösung.

Mehr zum Thema: Über ARD, ZDF und den Rundfunkbeitrag zerbricht sich Justus Haucap seit Jahren den Kopf. Im Interview dröselt der Ökonom den Reformvorschlag auf, den er mit CDU-Politikern und Fachleuten erarbeitet hat.

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