WirtschaftsWoche: Frau Wagenknecht, Sie zeigen Verständnis für Topverdiener wie Piloten, loben den Besuch von Siemens-Chef Joe Kaeser bei Putin, zitieren Ludwig Erhard auf jeder Veranstaltung. Warum flirten Sie auffällig oft mit der Wirtschaft?
Wagenknecht: Es gibt ja nicht die Wirtschaft. Es gibt zum einen hart arbeitende Beschäftigte und Unternehmer. Deren Interessen nehmen wir ernst. Dann gibt es allerdings auch große Konzerne, die sich auf ihrer Marktmacht ausruhen und nur noch auf Rendite schielen, und es gibt Banken und andere Finanzjongleure, die den allgemeinen Wohlstand mit ihren Geschäften eher schädigen als erhöhen. Die brauchen politischen Gegenwind.
Piloten wollen auch ihre Rendite erhöhen. Zehn Prozent mehr bei 180.000 Euro Durchschnittsverdienst. Ist das für eine Politikerin der Linken akzeptabel?
Man sollte nicht die Piloten gegen das Kabinenpersonal ausspielen. Das Problem liegt woanders. Die Lufthansa hat Sparprogramme aufgelegt, um den Gewinn von ein auf über zwei Milliarden Euro zu steigern. In dem Kontext wurde bei Flugbegleitern und Bodenpersonal bereits massiv gekürzt. Und die jetzt geplanten Verschlechterungen bei den Piloten sollen natürlich auch nicht den Flugbegleitern zugute kommen, sondern den Aktionären. Ich wünsche mir, dass in dem Konzern die verschiedenen Berufsgruppen stärker füreinander und miteinander kämpfen.
Auf dem Parteitag der Linken in Hamburg im Februar beklagten Sie, dass es in der Partei zu wenig Ökonomen gebe, die Leuten wie EZB-Chef Mario Draghi Paroli bieten könnten. Geben Sie zu: Ihrer Partei fehlt wirtschaftliche Kompetenz!
Im Gegenteil, ich habe mit diesem Argument für einen unserer Europakandidaten geworben, der ein guter Ökonom ist und dann auch auf einen vorderen Listenplatz gewählt wurde. Das Problem ist, dass es vor allem in den Regierungsparteien zu wenige Leute gibt, die die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge durchschauen. Dann fällt es Lobbyisten, die als Sachverständige daherkommen, leicht, Politikern ihre Interessen aufzuschwatzen. Da kommen Banker und behaupten, dass sie keine Kredite mehr an Unternehmen vergeben können, wenn sie gezwungen werden, mehr Eigenkapital zu bilden. Dabei ist das schon heute so: Die Deutsche Bank vergibt kaum noch Kredite an die Realwirtschaft – obwohl sie eine Eigenkapitalquote von nur knapp drei Prozent hat.
Die OECD fordert die EZB auf, den Leitzins auf null Prozent zu senken. Trifft das die Zustimmung der Linken?
Das ist der falsche Hebel. Wir erleben doch, dass die niedrigen Zinsen bei Unternehmen und Verbrauchern gar nicht ankommen. Es gibt eine massive Kreditklemme in Spanien und Italien. In Deutschland gibt es zwar billiges Baugeld, aber Dispozinsen im zweistelligen Bereich. Gerade kleine Unternehmen sind immer öfter gezwungen, sich über Dispokredite zu finanzieren, weil sie keine langfristigen Investitionskredite bekommen. Denen nützt die Niedrigzinspolitik nichts. Das billige Geld flutet vor allem die Kapitalmärkte und treibt da die Preise nach oben.
Finanzmärkte als Feind?
Was wäre Ihre Lösung?
Ich wünsche mir eine Zentralbank, die die Kreditvergabe an Banken konditioniert nach dem Motto: Ihr bekommt günstiges Geld, aber nur, wenn ihr das Geld über Kredite an Unternehmen weitergebt und damit nicht an den Finanzmärkten spekuliert. So eine Kreditsteuerung ist nichts Ungewöhnliches. Das hat etwa die japanische Zentralbank lange gemacht. Als sie Ende der Achtziger damit aufhörte, folgte eine gigantische Immobilienblase, die anschließend platzte.
Die Finanzmärkte sind bekanntermaßen Ihr erklärter Feind. Hat die Börse in Ihrer Welt überhaupt eine Funktion?
Die Börse hat die klassische Funktion, Unternehmen Eigenkapital zu verschaffen. Aber das ist weitgehend Vergangenheit. Inzwischen kaufen die Unternehmen per Saldo mehr Aktien zurück als sie emittieren. Die Börsen sind heute ein riesiges Casino, viele Geschäfte haben überhaupt keinen realwirtschaftlichen Hintergrund. Warren Buffet hat Derivate mal als finanzielle Massenvernichtungswaffen bezeichnet, und ich denke, er hat recht. 99 Prozent dieser Konstrukte liegt kein reales Geschäft zugrunde, sie dienen stattdessen dazu, Regeln zu umgehen, Steuern zu sparen oder einfach nur zu zocken. Da sollte vieles wegreguliert werden.
Und wie?
Wir fordern einen Finanz-TÜV auf europäischer Ebene. Die Emittenten von Kapitalmarktprodukten sollten nachweisen, dass ihr Derivat eine sinnvolle Funktion hat, bevor sie es auf den Markt bringen dürfen. Bei Medikamenten finden wir es doch auch selbstverständlich, dass nicht jedes Unternehmen ohne Kontrolle irgendwelche Pillen verkaufen darf. Ein Finanz-TÜV könnte so aufgebaut sein wie die Stiftung Warentest. Es sollte ein Institut sein, das nicht profitorientiert arbeitet.
Deutschland steht auf dem Höhepunkt wirtschaftlicher Stärke. Warum erkennen Sie die Erfolge nicht an?
Höhepunkt? Die Investitionen waren noch nie so niedrig wie heute, entsprechend steigt die Produktivität kaum noch. Die Beschäftigtenzahl ist zwar deutlich höher als vor 15 Jahren, aber doch nur, weil es sehr viel prekäre Arbeit gibt. Wenn ich einen Vollzeitjob in drei Mini-Jobs umwandele, habe ich zwei zusätzliche Jobs geschaffen. Aber es gibt jetzt drei Beschäftigte, die von ihrer Arbeit nicht mehr leben können. Wir haben in Deutschland seit der Jahrtausendwende die schlechteste Lohnentwicklung in Europa. Wir haben eine extrem ungleiche Vermögensverteilung. Die mittleren Vermögen sind niedriger als in den meisten westeuropäischen Staaten. Und das soll eine Erfolgsbilanz sein?
Wettbewerbsfähigkeit und Exportwirtschaft
Das Bruttoinlandsprodukt wächst seit Jahren, die Exportwirtschaft feiert Rekorde…
Langsam! In den letzten zwei Jahren hatten wir 0,4 und 0,7 Prozent Wirtschaftswachstum. Da stand Deutschland früher sehr viel besser da. Und selbst dieses Mini-Wachstum hätte es ohne die hohen Exportüberschüsse nicht gegeben. Aber diesen Überschüssen steht die wachsende Verschuldung anderer Länder gegenüber. Das ist keine nachhaltige Lösung.
Aber man kann doch die deutsche Wettbewerbsfähigkeit nicht allein in den europäischen Kontext stellen. Deutschland konkurriert mit der Welt… Deutschland hatte schon immer eine starke Exportwirtschaft. Früher beruhte das allerdings vor allem auf hohen Qualitätsstandards. „Made in Germany“ war gefragt, nicht weil es billig, sondern weil es gut war. In den letzten Jahren haben viele Unternehmen Leiharbeit, Werkverträge und Mini-Jobs genutzt, um ihre Lohnkosten zu drücken. In der Metall- und Elektroindustrie ist bereits jeder dritte Job ein Leiharbeiter oder Werkverträgler.
Auch heute exportieren deutsche Unternehmen ihre Produkte wegen ihrer Qualität.
Das gilt für viele Mittelständler, etwa im Maschinenbau. Aber es gibt eben auch Unternehmen, die sich auf den Lohnkostenvorteilen ausruhen. Das zeigen ja die niedrigen Investitionen. Eine Netto-Investitionsquote von 2,5 Prozent ist jämmerlich. Wenn sich da nichts tut, werden wir in Zukunft verlieren. Die relativ hohen Löhne und die Aufwertung der D-Mark waren früher auch ein ständiger Druck auf die Unternehmen, in Forschung und Entwicklung zu investieren und Innovationen voran zu treiben.
Gleiches gilt für das Ausland. Die Unternehmen müssten nach Ihrer Theorie bestrebt sein, bessere Produkte herzustellen. Ich habe nichts dagegen, wenn italienische oder griechische Unternehmen produktiver werden. Sie sollten nur nicht versuchen, das deutsche Lohndumping nachzuahmen, und genau das geschieht. Man muss auch sehen, wie sich die Zusammensetzung des deutschen Exports verändert hat. Früher waren es Maschinen und Autos. Seit einigen Jahren exportieren wir auch arbeitsintensive Produkte wie Erdbeeren und Billigfleisch. Viele Landwirte in Frankreich haben dicht gemacht. Hier könnten die Franzosen nur „wettbewerbsfähig“ werden, wenn sie ihren Mindestlohn von 9,53 Euro pro Stunde absenken. So ein Europa will ich nicht.
Mindestlohn und maximale Arbeitszeit
Und ein europäischer Mindestlohn wäre die Lösung?
Ein Mindestlohn von zehn Euro in Deutschland würde zumindest etwas ausgleichen. Auf europäischer Ebene wäre ein genereller Mindestlohn in Höhe von 60 Prozent des Durchschnittslohns sinnvoll. Höhere Löhne in Deutschland hätten auch einen weiteren Vorteil.
Nämlich?
Zum einen würde endlich auch wieder der Wohlstand derer steigen, die den ganzen Reichtum erarbeiten. Zugleich würden dann auch wieder mehr Produkte nachgefragt, damit stiegen auch die Importe und das würde die Exportüberschüsse reduzieren. Ein Land, das es nicht schafft, die Exportüberschüsse auszugleichen, also die Binnennachfrage so zu steigern, dass die Handelsbilanz nicht extrem überschüssig ist, macht genauso viel falsch wie eins, das ständig Defizite aufweist.
Die schwedischen Linken fordern eine maximale Arbeitszeit von sechs Stunden pro Tag. Sind Sie dafür?
Wir hatten ja schon mal in einigen Branchen eine 35-Stunden-Woche, so absurd ist der Vorschlag gar nicht. Kurzfristig ist das sicher nicht umsetzbar, aber natürlich sollten wir Arbeit besser verteilen. Im Durchschnitt, wenn wir die geleisteten Arbeitsstunden durch die Zahl der Erwerbstätigen teilen, haben wir aktuell in Deutschland die 30-Stunden-Woche. Die Arbeit ist nur sehr ungleich verteilt. Einige arbeiten sich kaputt, andere können von ihrem Mini-Job nicht leben. Das sollte man ändern.
In der Theorie hört sich das gut an. Aber in der Realität sind Leute unterschiedlich qualifiziert.
Dann muss man mehr qualifizierte Leute ausbilden. Auch ein Spitzenchirurg, der zu viele OPs am Tag macht, bekommt irgendwann zittrige Hände.
Also in Zukunft nur noch 30 Stunden pro Woche? Ich wäre schon froh, wenn der Trend zu immer längeren Arbeitszeiten und ständiger Verfügbarkeit gestoppt würde. Und es umgekehrt auch nicht mehr so viele unfreiwillige Teilzeit- und Mini-Jobs gäbe. Jeder sollte die Chance auf einen Vollzeitjob haben, von dem er gut leben kann und der noch genügend Raum für Familie und Privatleben lässt.
Am 25. Mai ist Europawahl. Fühlen Sie sich eigentlich als Deutsche oder Europäerin?
Das kann man doch gar nicht trennen. Ich liebe Goethe genauso wie Balzac oder Tolstoi. Ich wohne fünf Minuten von der französischen Grenze entfernt. Mein Baguette hole ich mir oft in Frankreich. Heute wenden sich allerdings viele Menschen von Europa ab, weil sie die Brüsseler Institutionen mit Lobbyismus und Interessenpolitik zugunsten von Banken und Konzernen verbinden. Weil sie immer wieder erleben, dass Entscheidungen der europäischen Ebene für sie Verschlechterungen ihres Lebensstandards bedeuten. Europa war schon einmal sehr viel geeinter. Heute ist es tief gespalten, und die Ablehnung wächst.
Für Sie ist das Schlimmste der Euro-Krise noch nicht vorbei?
Natürlich nicht. Es wurde doch keine der Ursachen behoben. Man hat nur mit viel Geld Zeit gekauft und den Banken und Hedgefonds unter die Arme gegriffen. Griechenland und Portugal konnten doch nur deshalb wieder Staatsanleihen emittieren, weil die geballte Macht der Rettungspakete dahinter steht. Dazu gibt es das Versprechen von Herrn Draghi, die Kurse zu sichern. Aber realwirtschaftlich geht es den Ländern unverändert miserabel, die Arbeitslosigkeit ist hoch, da gibt es keinen Aufschwung…
Griechenland wächst wieder….
Um 0,6 Prozent. Nach einem Einbruch von 30 Prozent der Wirtschaftsleistung!
Italien hat gut 20 Prozent seiner Industrieproduktion verloren und ist heute auf dem Niveau der Achtzigerjahre. Solange die Politik der Austerität und der brachialen Kürzungsprogramme fortgesetzt wird, kann sich die Situation auch nicht verbessern. Die Ungleichgewichte sind heute eher noch größer als zu Beginn der Krise. Und die Staatsschulden auch.
Und Eurobonds wären eine Lösung?
Nein. Die EZB sollte die Staaten in einem begrenzten Maße direkt finanzieren, statt die Banken mit billigem Geld zu mästen.
Das heißt, die EZB darf die Notenpresse anschmeißen?
Die läuft doch längst auf Hochtouren. Wenn man den Staaten das Geld direkt gibt, brauch man viel weniger. Die Staatsfinanzierung sollte von den Launen der Kapitalmärkte unabhängig werden. Deshalb sehen wir auch Eurobonds kritisch. Zum einen ist eine Haftungsunion ohne Aufgabe der nationalen Haushaltssouveränität kaum machbar. Damit würde aber ein Kernelement der Demokratie verloren gehen. Außerdem kann man auch Eurobonds nur über das Kartell der Investmentbanken platzieren, die damit die Macht über den Ausgabekurs haben. Ich finde Instrumente wie die früheren Bundesschatzbriefe viel sinnvoller, also Papiere, in die Sparer direkt investieren und die nie Gefahr laufen, Spielball der Spekulation zu werden.
Marktlösung und Ukraine-Krise
Warum schrecken Sie vor Marktlösungen so zurück und glauben, dass der Staat der bessere Unternehmer ist?
Wenn fünf große Investmentbanken den Kurs eines Papiers bestimmen, hat das mit Markt wenig zu tun. Der Staat ist überhaupt kein Unternehmer. Es gibt aber Bereiche, wo der Markt nicht hingehört oder nicht funktioniert, wo das private Renditekalkül schädlich ist. Ein Markt mit vielen Wettbewerbern, wo nur die Leistung zählt, ist ein gutes Ideal. Aber wo die Marktmacht zu groß wird, erleben wir Abzocke und leistungslose Bereicherung….
Das befürchten Sie auch für Grund und Boden? Der Parteivorstand beschäftigt sich derzeit genau mit diesem Thema…
Die Privatisierung von öffentlichem Grund und Boden ist so ein Beispiel, wo der Markt teilweise versagt. Investoren, die in zentralen Innenstadtlagen Grund und Boden besitzen, können jede Stadtplanung konterkarieren. Die Privatisierung strategisch wichtiger Flurstücke, die sich in öffentlicher Hand befinden, ist daher nicht sinnvoll.
Und Hausbesitzer müssen sich nun fürchten? Unsinn. Es geht nicht darum, Leuten ihr Grundstück mit ihrem Einfamilienhaus wegzunehmen. Aber es besteht die Gefahr vor allem in Krisenländern wie Griechenland, dass der Staat wichtige Grundstücke zu miserablen Preisen verkauft. Wenn in einer schweren Krise privatisiert wird, verschleudert die öffentliche Hand Vermögen, das ihr künftig eine Einnahmebasis bieten würde. Das ist eine fahrlässige Politik.
Die Ukraine-Krise hält Europa in Atem. Halten Sie Russlands Präsident Putin für einen Aggressor?
Wenn wir von Aggressoren reden, was ist denn dann die US-Politik? Russland hat legitime Sicherheitsinteressen, doch der Westen hat sie seit Jahren ignoriert. Er hat Russland gedemütigt durch die NATO-Osterweiterung, die geplante Raketenstationierung. Dass Russland eine mögliche NATO-Mitgliedschaft der Ukraine verhindern will, ist nachvollziehbar. Daher hat Putin jetzt ein Stopp-Schild gesetzt.
Und das Stopp-Schild ist die Krim. Halten Sie die Annektierung etwa für vertretbar? Wenn der Westen signalisiert hätte, dass eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine tabu ist, wenn er nicht eine Kiewer Regierung mit ins Amt gebracht hätte, an der sich Neonazis beteiligen, dann hätte es die Ereignisse in der Krim wahrscheinlich nicht gegeben. Aber es war ja eine ganz klare Politik des Westens, die Ukraine gegen Russland zu stellen. Das Assoziierungsabkommen beinhaltete auch militärische Zusammenarbeit. Und natürlich wollte Putin nicht, dass seine Schwarzmeerflotte plötzlich in einem Nato-Staat stationiert ist. Das wäre eine schwierige Situation geworden.
Was würden sie als Außenministerin machen?
Wir brauchen Gespräche mit Russland, der russischen Minderheit in der Ukraine und der ukrainischen Führung ohne deren faschistischen Teile. Drohgebärden, Sanktionen, Truppenbewegungen und Säbelrasseln lassen eine friedliche Lösung dagegen immer unwahrscheinlicher werden.
Und Sanktionen gegen Russland schließen Sie aus? Die bringen nichts. Ich sehe auch wirtschaftliche Interessen dahinter. Wenn Europa kein russisches Gas mehr kauft, freuen sich die Anbieter von teurem US-Frackinggas. Der Wirtschaftskrieg schadet vor allem der europäischen, der deutschen Wirtschaft. Deshalb wird er von den USA vorangetrieben.
Geld und nationale Abrüstung
Ihr Parteikollege Bernd Riexinger hat jüngst Sanktionen gegen die pro-westliche Führung der Ukraine gefordert. Einverstanden?
Es geht nicht um Sanktionen, sondern darum, einer Regierung, in der eine offen faschistische und antisemitische Partei drei Minister stellt und die in der Ostukraine Krieg gegen die Bevölkerung führt, nicht noch mit Hilfskrediten unter die Arme zu greifen. Der Chef der Swoboda ruft offen zu Gewalt gegen Russen und Menschen jüdischen Glaubens auf. Eine solche Regierung zu unterstützen, finde ich skandalös.
Die ukrainische Führung sollte kein Geld bekommen?
Richtig. Die Hilfsgelder sollten gestoppt werden. Man sollte eher darauf hinwirken, dass die Raubvermögen der ukrainischen Oligarchen an die Bevölkerung zurückgegeben werden. Da liegt genügend Geld, um die ukrainischen Finanzprobleme zu lösen.
Braucht Europa eine EU-Armee wie es Ihr Parteikollege Gregor Gysi ins Spiel gebracht hat?
Die EU hat doch längst militärische Einheiten. Und die dienen nicht der Verteidigung, sondern sollen als Interventionstruppen auf anderen Kontinenten eingesetzt werden, etwa um den Zugang zu bestimmten Rohstoffen abzusichern. Tatsächlich sehe ich niemanden, der die EU mit einem militärischen Angriff bedroht.
Also keine EU-Armee bei gleichzeitiger nationaler Abrüstung?
Wir brauchen Abrüstung auf nationaler und auf EU-Ebene. Entscheidend ist auch, endlich Rüstungsexporte zu verbieten. Deutschland liefert Panzer und Handfeuerwaffen in Diktaturen, und wundert sich dann, wenn sie irgendwann dort gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden. Das ist verantwortungslos.
Zurück zur Bundespolitik. In Wahlumfragen liegt die Linke in Thüringen vor der SPD. Eine rot-rote Landesregierung, eventuell mit den Grünen, scheint realistisch. Was bedeutet die Landtagswahl in Thüringen im September für die Zukunft der Partei?
Zunächst kämpfen wir für ein starkes Wahlergebnis. Sollte es für Rot-Rot-Grün oder Rot-Rot reichen, werden wir der SPD Verhandlungen über eine Koalition unter einem linken Ministerpräsidenten anbieten. Wenn die SPD da wieder kneift und in eine große Koalition flüchtet, wird hoffentlich jeder SPD-Wähler begreifen, dass diese Partei sich mit ihrer Rolle als CDU-Anhang abgefunden hat.
Würden Sie Rot-Rot-Grün auf Bundesebene dann ausschließen?
Eine SPD, die immer wieder an die Seite der CDU flieht, hat keinen sozialen Anspruch mehr. So werden wir uns sicher auch auf Bundesebene nicht näher kommen.