Sanktionskontrolle Darum scheitern die Sanktionen gegen russische Oligarchen

Die 156 Meter lange Megayacht Dilbar des russischen Oligarchen Alisher Usmanov wurde vom Hamburger Hafen (Foto) in die Lürssen-Werft nach Bremen verlegt. Wer für die Kosten der Überführung und Wartung zahlt, ist unklar. Quelle: imago images

Mit einer Taskforce wollte die Regierung Sanktionen gegen Oligarchen besser durchsetzen. Doch acht Monate nach dem Start hat die Einheit ihre Arbeit schon wieder beendet – mit teils ernüchterndem Ergebnis.  

  • Teilen per:
  • Teilen per:

In dem 25 Meter langen Pool wurde schon länger nicht mehr geplanscht, trotzdem ist die Luxusyacht Dilbar mit ihren 20 Kabinen und Platz für 36 Gäste kürzlich auf Reise gegangen – ein Kurztrip: von Hamburg nach Bremen. Das war allerdings keine Vergnügungsfahrt, sondern der Liegeplatz des Millionenboots wurde von der Reederei Blohm + Voss anderweitig gebraucht. Denn wann und vor allem mit wem die Dilbar wieder in See stechen kann, ist derzeit unklar. Die Yacht gehört angeblich dem sanktionierten russischen Oligarchen Alisher Usmanov, der auch Villen am Tegernsee besitzen soll und gegen den wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe ermittelt wird. Usmanov bestreitet die Vorwürfe. Die Behörden haben die Dilbar bereits im Frühjahr seiner Verfügung entzögen. Wer aber zahlt seither für die Überführung und die Wartung der Yacht?

Weder die Zoll- und Ermittlungsbehörden in Hamburg noch das Bundeskriminalamt und die Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt können das beantworten. Das für die Sanktionsdurchsetzung zuständige Bundesfinanzministerium erklärt, dass der Besitzer selbst die Kosten zahlen müsste – aber Usmanov darf keine Geschäfte mehr in Deutschland tätigen.  

Wer zahlt für die Millionenyacht? 

Bleibt die Bremer Lürssen-Werft. Sie hat die Dilbar 2015 gebaut und nun wieder zurück in Obhut genommen. Ein Sprecher der Werft will sich nicht dazu äußern, wie hoch die Kosten für die Überführung, die Wartung und den Liegeplatz sind und wer sie bezahlt.

von Sonja Álvarez, Max Biederbeck, Karin Finkenzeller, Max Haerder, Vinzenz Neumaier, Christian Ramthun, Silke Wettach, Lukas Zdrzalek

Die Dilbar ist damit aber nur ein Symbol dafür, wie chaotisch die Sanktionsdurchsetzung in Deutschland noch immer verläuft. Dabei hatte die Bundesregierung im März extra eine Taskforce eingerichtet, um „eine effektive Durchsetzung der Sanktionspakete“ sicherzustellen. Doch acht Monate später hat die Taskforce unter Federführung von Wirtschafts- und Finanzministerium ihre Arbeit quasi schon wieder eingestellt. Da reiben sich wohl selbst die Oligarchen verdutzt die Augen.

Deutschland gilt als „Gangsta’s Paradise“

Deutschland gilt bisher als „Gangsta’s Paradise“. 100 Milliarden Euro säubern Ausländer Jahr für Jahr in der Bundesrepublik, schätzten Experten wie der ehemalige Die Linke-Politiker Fabio De Masi bereits vor vier Jahren beklagte. Mangelnde Nachverfolgung und ein Chaos zwischen den Behörden in Bund und Ländern haben bisher offensichtlich auch russische Oligarchen wie Usmanov angelockt. Um im Zuge von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine die Sanktionen nun besser durchsetzen zu können, wurde im Frühjahr die Taskforce gegründet. Insgesamt hat sie jedoch nur vier Mal seit ihrem Start im März in ihrer gesamten Besetzung getagt, erklärt ein Sprecher des Finanzministeriums.

Mehr als 15 Behörden sind beteiligt

Zum diesem so genannten Plenum gehörten neben den federführenden Ministerien für Wirtschaft und Finanzen vier weitere Ressort, nämlich für Inneres, Äußeres, für Verkehr und für Justiz. Ergänzt wurde die Runde durch die Nachrichtendienste, das Bundeskriminalamt, die Bundesbank, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, das Zollkriminalamt, die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen, das Hauptzollamt, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle und die entsprechenden Behörden auf Länderebene, also mehr als 15 Behörden.

Dass die Taskforce selbst die Sanktionsdurchsetzung steuert und kontrolliert, sei aber nicht geplant gewesen, erklärt ein Sprecher des Ministeriums. Ziel sei vielmehr die Konzeption der entsprechenden Gesetze gewesen. Das erste Gesetz trat Ende Mai in Kraft, das zweite Gesetz soll jetzt verabschiedet werden. Doch ob Deutschland damit die „Gangster“ das Fürchten lehrt, ist fraglich.

„Es wird wertvolle Zeit verplempert“

Waren bisher die Länder für die Sanktionsdurchsetzung zuständig, ist nun geplant, dafür eine Zentralstelle als neue Behörde auf Bundesebene einzurichten – was Expertinnen und Experten kritisieren. „Es wird wertvolle Zeit verplempert“, kritisierte Frank Buckenhofer von der Gewerkschaft für Polizei (GdP). Statt langwierig eine neue Behörde zu errichten, sei es „wesentlich schneller“ und „effektiver“, bereits bestehende Behördenstrukturen zu ertüchtigen. So verfüge der Zollfahndungsdienst bereits über die nötigen Erfahrungen bei den erforderlichen Finanz- und Vermögensermittlungen. „Follow the money“ müsse die Strategie sein – doch das sei mit dem neuen Gesetz nicht möglich.

Lesen Sie auch: USA zahlen Millionen für die Oligarchen-Jagd – Deutschland verzettelt sich im Taskforce-Chaos

Buckenhofer empfiehlt in einer Stellungnahme für den Finanzausschuss des Bundestags deshalb eine Art „suspicious wealth order“: Verdächtiges Vermögen aufspüren und sichern zu können, sei „ein wirksames Instrument gegen die Organisierte Kriminalität, Geldwäsche, Steuerhinterziehungen und auch gegen die Terrorismusfinanzierung“. Einen erheblichen Schwachpunkt sieht Buckenhofer darin, dass das geplante Gesetz nicht ausdrücklich die Nutzung des Vermögens verbiete. Während Vermögen auf Konten unmittelbar eingefroren seien, „können eingefrorene bewegliche und unbewegliche Vermögensgegenstände wie Immobilien, Yachten und Autos weiter genutzt werden“, kritisiert Buckenhofer. Das sei ein „fragwürdiger Zustand“ und führe dazu, dass die Sanktionen für den Sanktionierten „nicht wirklich oder nur mäßig spürbar“ seien.

Der Staat müsse Auskünfte verlangen können

Auch aus der Opposition gibt es Kritik an den Plänen. „Ein großer Knackpunkt ist die klare Zuordnung von Vermögenswerten“, erklärt Alois Rainer (CSU), Vorsitzender des Finanzausschusses. Wenn Besitzerinnen und Besitzer solcher Werte bestimmte Risikomerkmale auf sich vereinten, „sollte der Staat Auskünfte verlangen können, und zwar unabhängig von einer möglichen Sanktionierung“, fordert Rainer: „Bei Nichterteilung der Auskunft oder fehlerhaften Informationen muss es die Möglichkeit geben, Vermögenswerte einzufrieren.“

von Max Haerder, Maxim Kireev, Andreas Macho, Vinzenz Neumaier, Volker ter Haseborg, Cornelius Welp, Sascha Zastiral, Lukas Zdrzalek

Neben einer neuen Behörde ist mit dem Gesetz auch geplant, das Transparenzregister gegen Geldwäsche, um Immobiliendaten zu erweitern. Doch bereits das bestehende Register hat erhebliche Schwächen. Denn die sogenannten wirtschaftlich Berechtigten sind durch Verschleierung über Firmengeflechte in den bundesweit rund 530 Grundbüchern oft nur schwer zu finden.

Fiktive Personen im Transparenzregister

Bei 27 Prozent der eingetragenen Personen handle es sich derzeit um fiktive Namen, schreibt Christoph Trauvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit in seiner Stellungnahme für den Ausschuss. Er kritisiert, dass auch mit dem geplanten neuen Gesetz die Qualität der Daten im Transparenzregister „weiterhin nicht ausreichend sichergestellt ist und eine automatische Verknüpfung zu einem zu digitalisierenden Handelsregister weiterhin fehlt“.

Das Bundesfinanzministerium hingegen sieht die Arbeit der Taskforce als Erfolg. Erwartung und Auftrag seien „voll erfüllt“ worden, erklärt ein Sprecher. Vermögenswerte in Höhe von 4,8 Milliarden Euro seien bisher von sanktionierten Personen blockiert worden. Aber gehört zur „effektiven“ Sanktionsdurchsetzung nicht auch ein Überblick, welche Behörde gerade wo, wie und bei wem mit welchem Erfolg ermittelt?

Koehler Paper Ein Papierhersteller, der Zoll – und eine Rechnung über 193.631.642,08 Dollar

US-Behörden setzen dem deutschen Papierhersteller Koehler Paper mit einer horrenden Rechnung zu: Der Mittelständler aus Baden-Württemberg soll Zölle und Zinsen von insgesamt 194 Millionen Dollar überweisen.

Immobilien Hat die Einzimmer-Wohnung ausgedient?

Die Chancen für Kapitalanleger sind so groß wie nie, sagt Immobilienexperte Florian Bauer. Und erklärt, warum eine Dreizimmerwohnung in Hannover vielversprechender ist als eine Einzimmerwohnung in München.

Chaostage in Lehrte Die seltsame Pleite der Helma Eigenheimbau AG

Nach dem Insolvenzantrag der börsennotierten Helma Eigenheimbau AG kippen nun wichtige Tochterunternehmen in die Insolvenz – und das Pleite-Manöver des Aufsichtsrats wirft neue Fragen auf.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Die Taskforce sei „keine operative Stelle“, erklärt das Finanzministerium, sondern sie habe Schwachstellen analysieren und Verbesserungsvorschläge machen sollen. Wöchentlich tage weiterhin eine so genannte Clearingrunde, um sich über die Arbeit der staatlichen Stellen auf Bund- und Länderebene auszutauschen. Aber aus einem Austausch folgt eben nicht automatisch ein koordiniertes Vorgehen, wie auch das Chaos um die Millionenyacht zeigt. Wie es mit der Dilbar weitergeht, ist derzeit unklar. Poolpartys dürften auf dem Boot aber so schnell nicht mehr gefeiert werden.  

Lesen Sie auch: Die teure Jagd auf die Jachten der Oligarchen

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%