Sartorius-Chef Kreuzburg zum Forschungsgipfel „Wir werden gewisse Risiken und Scheitern akzeptieren müssen“

Beim Forschungsgipfel soll diskutiert werden, wie Deutschland bei Innovationen besser werden kann. Joachim Kreuzburg, Chef des Laborausrüsters Sartorius, fordert bessere finanzielle Bedingungen.

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Sartorius-Chef Joachim Kreuzburg über den Forschungsgipfel Quelle: imago/Hubert Jelinek

Berlin Deutschland kann stolz sein auf seine Leistungen als Forschungsstandort, sagt die neue Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU). Luft nach oben gibt es aber noch, wenn es darum geht, aus einer guten Idee ein marktreifes Produkt zu entwickeln oder gar ein neues Unternehmen daran aufzuziehen.

Vor allem bei sogenannten „Sprunginnovationen“, also Entwicklungen, die einen ganzen Markt oder eine Branche umkrempeln, hinkt Deutschland hinterher. „Wir erleben doch eine große Zurückhaltung der Wirtschaft“, sagt Karliczek. Gewinnorientierte Unternehmen tun sich naturgemäß schwer, etwas ganz Neues zu entwickeln, von dem sie nicht wissen können, ob es am Ende auch erfolgreich ist.

Beim Forschungsgipfel an diesem Dienstag wollen nun Experten aus Wissenschaft und Politik über die Rahmenbedingungen diskutieren, die für ein „deutsches Google“ erforderlich sind. „Um in Deutschland vermehrt radikale Innovationen, vor allem auch im Sinne von Produkten, hervorzubringen, müssen wir uns trauen, von vertrauten Pfaden abzubiegen“, sagte dazu der Präsident des Stifterverbands, der frühere Boehringer-Ingelheim-Chef Andreas Barner, dem Handelsblatt. Dies gelte für die Unternehmen genauso wie für die Politik und die Gesellschaft. „Wir werden gewisse Risiken und Scheitern akzeptieren müssen.“

Die Politik sollte mehr risikoreiche Projekte fördern, auch jene Unternehmen, die nicht die üblichen technischen Disziplinen bedienen, sagt Barner. Der Vorstandsvorsitzende des Pharma- und Laborausrüsters Sartorius, Joachim Kreuzburg, fordert im Handelsblatt-Interview, vor allem die finanziellen Startbedingungen für innovative neue Unternehmen zu verbessern:

Herr Kreuzburg, auf dem Forschungsgipfel wird es um wichtige Weichenstellungen für den Standort gehen. Was erwarten Sie von der neuen Bundesregierung in der Forschungspolitik?
Im Koalitionsvertrag stehen gute Dinge, etwa das Bekenntnis zur Steigerung der Forschungsausgaben, zur Technologieoffenheit und zur rascheren Übertragung von Erfindungen in wirtschaftlich relevante Innovationen. All das sollte nun rasch angepackt werden.

Wenn wir an die Förderprämien für Elektroautos denken, ist von Technologieoffenheit nicht viel zu sehen. Wo bleibt die Brennstoffzelle?
Sie haben Recht, bei der Mobilität gibt es eine starke Fokussierung auf den Elektroantrieb. Grundsätzlich sollte die Politik allen neuen Technologien Raum geben und hier keine Vorgaben machen.

Das Ziel, die Forschungs- und Entwicklungsausgaben auf 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung zu steigern, liegt noch in weiter Ferne. Investiert der Staat genug?
Sobald es um Innovationen geht, nach dem Staat zu rufen, halte ich für falsch. Es ist eine originäre unternehmerische Aufgabe, innovativ zu sein und in Innovationen zu investieren. Der Staat muss aber die Hochschulen und die außeruniversitäre Forschung vernünftig ausstatten. Davon profitieren dann auch die Unternehmen, zum Beispiel mit Blick auf die sehr gut qualifizierten Menschen, die wir aus diesen Einrichtungen bekommen.

Und da passiert nicht genug?
Teilweise gibt einen Investitionsstau an den Hochschulen, auch an den medizinischen Einrichtungen. Gerade bei den Gebäuden leben einige Unis von der Substanz. Bei der Geräteausstattung sieht es etwas besser aus, aber die wird auch oft aus Drittmitteln finanziert.

Begrüßen Sie die geplante steuerliche Forschungsförderung?
Sie ist hilfreich, auch wenn sie wohl eher aus Wettbewerbsgründen kommt, weil Deutschland nicht mehr länger hinter vielen OECD-Staaten zurückstehen will. Noch wichtiger wäre eine bessere Start-up-Förderung, denn Deutschland hinkt bei disruptiven Entwicklungen hinterher.

Woran denken Sie?
Venture-Investitionen könnten stärker steuerlich gefördert werden. Und große Kapitalsammelstellen wie Versicherungen sollten sich dort stärker engagieren können. Da liegt viel Potenzial brach. Verbesserte Rahmenbedingungen könnten hier eine große Dynamik auslösen.

Was kann der Staat sonst noch tun, damit ein deutsches Google entsteht?
Man kann disruptive Entwicklungen nicht von oben verordnen. Das ist eher eine kulturelle Frage. In den USA oder Israel gibt es junge Leute, die sagen, eine Gründung interessiert mich nur, wenn ich damit ein ganzes Segment umkrempeln kann. Ich kann mir vorstellen, dass sich mit der Zeit auch bei deutschen Gründern so eine Einstellung entwickelt; zeitlich ist aber eher eine Frage von einer Generation als von einer Legislaturperiode.

Muss es nicht mehr Spitzenforschung im europäischen Rahmen geben, um gegen Giganten wie die USA oder China bestehen zu können?
Die Regierung plant gemeinsame Zentren zu künstlicher Intelligenz und digitalen Innovationen mit Frankreich und Polen. Aber insgesamt ist es um das europäische Projekt derzeit ja nicht gerade zum Besten bestellt. Dabei müssen wir vereint marschieren, auch um für internationale Spitzenforscher weiter attraktiv zu sein. Und weil der europäische Binnenmarkt erfolgreichen Startups deutlich mehr Potenzial bietet, ihre Produkte oder Dienstleistungen an die Frau und den Mann zu bringen als Einzelmärkte.

Aber geht bei europäischen Projekten dann nicht gleich das Gezerre um den Standort los?
Dass sich das Saarland, Baden-Württemberg und Sachsen für das Zentrum zur Künstlichen Intelligenz interessieren, ist gut. Ich habe nichts gegen Wettbewerb. Wichtig ist nur, dass dann rasch eine Entscheidung fällt.

Sie kommen aus der Pharmabranche. Der Begriff Biotechnologie taucht im Koalitionsvertrag kein einziges Mal auf. Ist das einstige Zukunftsfeld kein Hoffnungsträger mehr?
Ich glaube, der Begriff wird aus politischen Gründen vermieden. Das Arbeitsgebiet taucht durchaus weiterhin auf, etwa in der geplanten ressortübergreifenden Agenda „Von der Biologie zur Innovation“. Auch in der Gesundheitsforschung oder der Nationalen Wirkstoffinitiative steckt bestimmt zu 50 oder 60 Prozent Biotechnologie. 

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