Schattenwirtschaft So soll das korrupte Taxigewerbe ehrlich werden

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Antiquierte Regulierung

Entsprechend geschönt sind viele Umsatzzahlen. So sollen, ergab die Berliner Studie, professionelle Taxen in der Hauptstadt nur einen Überschuss von 5400 Euro im Jahr erwirtschaftet haben, nicht einmal die Hälfte der deutschen Armutsgrenze. Würde das stimmen, wären die meisten Taxiunternehmer rollende Sozialfälle.

Auch in ländlichen Regionen blüht die Trickserei, etwa in einer niedersächsischen Stadt, wo staunende Finanzbeamte unter 50 Taxibetrieben gerade mal einen fanden, der mit seinem angemeldeten Gewinn die Gewerbesteuer-Freigrenze von 24.500 Euro übertraf. Die restlichen 49 Unternehmen nahmen angeblich weniger ein. „Dennoch wurden in einer Zeitungsannonce 100.000 Euro für zwei Taxikonzessionen geboten“, sagt Edo Diekmann von der zuständigen Oberfinanzdirektion Oldenburg. „So schlecht wie vorgegaukelt kann die Ertragslage offenbar nicht sein.“

Aber auch angestellte Taxifahrer können tricksen. Beispiel: Ein Taxiunternehmer stellt den Fahrer offiziell für vier Stunden am Tag an und zahlt ihm dafür etwa 1000 Euro brutto im Monat. Nur dieser Betrag gilt dann für die Berechnung von Steuern und Sozialabgaben. Tatsächlich sitzt der Fahrer wesentlich länger hinter dem Steuer – und bekommt Tausende Euro schwarz vom Arbeitgeber. So sparen am Ende beide Seiten. Verlierer sind die Sozialkassen, die in krassen Fällen den offiziell verarmten Kutschern mit Gehalts- und Rentenaufstockungen aushelfen müssen.

Taxibetriebe-mit-geschönten-Geschäftszahlen

Ein Skandal. Doch es fehlt oft schlicht an Personal für wirksame Kontrollen. In Berlin etwa muss ein einzelner Mitarbeiter des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten 800 Taxen überwachen.

Mit dem flächendeckenden Einsatz von Fiskaltaxametern würden sich die Kräfteverhältnisse zwischen Prüfern und Taxiunternehmern schlagartig verändern. Finanzprüfer Diekmann aus Oldenburg hält damit eine vollständige Betriebsprüfung innerhalb von drei Tagen für möglich. Momentan dauert so etwas mindestens zwei Wochen. Der größte Vorteil der Fiskaltaxameter aber wäre die Nachprüfung. Mit validen Daten könnten die Finanzämter die ärgsten Betrüger der vergangenen Jahre nachträglich entlarven: Wer mit Fiskaltaxameter-Daten etwa auf einen sechsstelligen Jahresumsatz kommt, vorher aber immer nur wenige Tausend Euro bei der Steuer angegeben hat, ist kaum noch glaubwürdig. Das Finanzamt könnte die Firma nachträglich „schätzen“ – und entgangene Steuern nachfordern.

In den Bundesländern gibt es daher wenig Verständnis für die Zurückhaltung der Bundesregierung bei dem Thema. Wenn das Bundesfinanzministerium die Nutzung technischer Möglichkeiten für nachprüfbare Umsatzerfassung nicht für geboten halte, „fällt es hinter die eigenen Bemühungen der Taxizentralen weit zurück“, sagt etwa Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD). „Wer bei Steuerbetrug zulasten der Allgemeinheit die Augen zudrückt, stellt jeden ehrlichen Unternehmer als Deppen hin.“

Aber Länder und Kommunen könnten selbst eingreifen. Wie das geht, zeigt das Beispiel Hamburg. Dort sind Fiskaltaxameter seit einigen Jahren im Umlauf. 2004 förderte ein Gutachten mafiöse Strukturen in der Hansestadt zutage. Mehr als jeder zweite Taxibetrieb missachtete gesetzliche Arbeitszeiten, meldete Mitarbeiter nicht an oder hinterzog Steuern. Der Senat reagierte und bezuschusste den Einbau eines Fiskaltaxameters. Zwei Drittel der Taxiunternehmer machten mit, die Behörden konzentrierten sich in der Folge bei den Kontrollen auf den Rest. Heute fahren in Hamburg fast 900 Taxen weniger als damals, die Flotte ist so klein wie zuletzt 1966. Und weil nun nichts mehr verschwiegen werden kann, ereignete sich über Nacht ein kleines Wirtschaftswunder: Der Umsatz der verbliebenen Firmen stieg um 50 Prozent.

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