Schattenwirtschaft So soll das korrupte Taxigewerbe ehrlich werden

Seite 2/3

Maximal 30 Prozent versteuert

Es wäre leicht gewesen, auch Taxen in diese Regelung mit einzubeziehen. Doch Taxameter gelten den Beamten nicht als Kasse – und fallen somit aus dem Gesetz. Überhaupt gibt es in der Bundesrepublik, anders als etwa in Österreich, keine Vorschrift, eine Registrierkasse zu führen. Dies hält das Bundesfinanzministerium für unzumutbar: „Eine Einzelaufzeichnung der baren Betriebseinnahmen“, schrieben Schäubles Beamte am 17. Mai 2016 an einen Taxiunternehmer, sei „nicht erforderlich, wenn Waren von einem geringen Wert an eine unbestimmte Vielzahl nicht bekannter und auch nicht feststellbarer Personen verkauft werden“.

Taxibranche vs. myTaxi – die Fakten

Sie beziehen sich in dem Schreiben, das der WirtschaftsWoche vorliegt, auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 1966. Damals dachte wohl keiner der Richter daran, dass es eines Tages Menschen geben würde, die ihre Taxen per App buchen und mit Kreditkarte zahlen – geschweige denn, dass ein „intelligentes“ Taxameter all dies speichern und den Behörden automatisch zugänglich machen kann. Taxifahren ist also längst im 21. Jahrhundert angekommen, die Regulierung steckt im 20. Jahrhundert fest.

Wie leicht sich dies ändern ließe, ist auf dem Taxikrisentreffen in Visselhövede zu bestaunen. Dort präsentiert Unternehmensberater Dirk Tangemann dem Publikum seinen cabman BCT. Das Wundergerät in der Größe eines Smartphones kommt aus den Niederlanden und Belgien, wo Fiskaltaxameter seit Jahren vorgeschrieben sind. Dort müsse jede Bewegung des Taxis abgebildet werden, sagt Tangemann. Deshalb könne der cabman auch Pausen managen, als Telefon genutzt werden, außerdem sei in den Drucker ein Magnetkartenleser für das bargeldlose Bezahlen integriert. Alle Daten würden gespeichert und seien jederzeit verfügbar – bei Bedarf auch für das Finanzamt. „Wir haben den deutschen Markt analysiert und uns entschlossen, nun anzubieten“, so Tangemann.

Die Zeiten, als Taxifahrer ihre Fahrgäste behandeln konnten wie lästigen Ballast, sind vorbei. Dank Apps wie MyTaxi herrscht eine neue Kultur des gegenseitigen Respekts im Auto. Allerdings aus purem Egoismus.
von Marcus Werner

Er hätte kaum einen besseren Zeitpunkt wählen können. Über 20 000 Taxiunternehmen gibt es derzeit in der Bundesrepublik. Und der Großteil von ihnen, so stellen es Gutachter immer wieder fest, nimmt es mit der Steuerehrlichkeit nicht sehr genau. Gerade enthüllte eine Studie im Auftrag des Berliner Senats: Vier von fünf Taxibetrieben in der Hauptstadt hinterziehen Steuern. Über 50 Millionen Euro, schätzen die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, entgehen dem klammen Bundesland dadurch pro Jahr – genug, um alle Schlaglöcher der Hauptstadt zu stopfen. In anderen Kommunen der Republik sieht es nicht besser aus: 46 Prozent Betrugsquote in Stuttgart, 40 in Frankfurt, 38 in München, 27 in Düsseldorf. Auf über eine Milliarde Euro bezifferte der niedersächsische Landtag den bundesweiten Steuerschaden schon 2001. Inzwischen dürfte dieser weit höher liegen.

Wie leicht die Trickserei funktioniert, erläutert ein Taxifahrer während einer längeren Stadtrundfahrt durch eine deutsche Metropole. Der Mann ist etwa 40 Jahre alt und seit mehreren Jahren als Fahrer angestellt. Er will zwar unerkannt bleiben, aber reden. Schließlich litten alle ehrlichen Kollegen unter den Schwarzfahrern. „Entweder arbeitet man nur mit Schichtzetteln. Da kann man am Ende des Tages reinschreiben, was man will“, erzählt der Mann. „Oder der Betrieb hat ein elektronisches System wie wir. Da wird die Fahrt danach einfach im System storniert.“ Maximal 30 Prozent der Einnahmen würden überhaupt bei der Steuer angegeben, vermutet der Fahrer. „Für mich sind das hier fast griechische Verhältnisse, dort macht ja auch keiner das Taxameter an.“ Sein düsteres Fazit: „Wer ehrlich ist, kann mit Schwarzfahrern kaum mithalten.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%