Es wäre leicht gewesen, auch Taxen in diese Regelung mit einzubeziehen. Doch Taxameter gelten den Beamten nicht als Kasse – und fallen somit aus dem Gesetz. Überhaupt gibt es in der Bundesrepublik, anders als etwa in Österreich, keine Vorschrift, eine Registrierkasse zu führen. Dies hält das Bundesfinanzministerium für unzumutbar: „Eine Einzelaufzeichnung der baren Betriebseinnahmen“, schrieben Schäubles Beamte am 17. Mai 2016 an einen Taxiunternehmer, sei „nicht erforderlich, wenn Waren von einem geringen Wert an eine unbestimmte Vielzahl nicht bekannter und auch nicht feststellbarer Personen verkauft werden“.
Taxibranche vs. myTaxi – die Fakten
Die Daimler-Tochter myTaxi hatte Mitte Mai in Deutschland und international mit Rabatten von bis zu 50 Prozent für Fahrten geworben, die über die App vermittelt und bezahlt werden. Nach Einschätzung der Stuttgarter Taxi-Auto-Zentrale ist das wettbewerbswidrig. Denn eigentlich gelten von den lokalen Behörden festgelegte Preise für Taxifahrer. Diese dürften laut Personenbeförderungsgesetz weder über- noch unterschritten werden.
Das Personenbeförderungsgesetz ist auch dazu da, Taxifahrer vor ruinösem Wettbewerb zu schützen. MyTaxi argumentiert, dass das Gesetz nicht für die App gilt, da nur Fahrten vermittelt werden. Außerdem hätten die Fahrer, die durch das Gesetz geschützt werden sollen, den vollen Fahrpreis erhalten. Lediglich den Rabatt an den Kunden habe myTaxi erstattet und diesen so „zu einer Taxifahrt“ eingeladen, argumentierte der Anwalt vor Gericht.
Die gibt es. Anbieter von öffentlichem Nahverkehr (ÖPNV) schießen zum Beispiel kleine Beträge für Frauen-Nacht-Taxis zu. Allerdings vermitteln die ÖPNV-Betriebe keine Taxifahrten. Und diese Koppelung war zumindest vor dem Stuttgarter Landgericht der springende Punkt.
Die Richterin vor dem Stuttgarter Landgericht machte in der Verhandlung klar, dass die einstweilige Verfügung, die bislang in Stuttgart, Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen gilt, gute Chancen auf Bestand hat. Die Daimler-Tochter trage das unternehmerische Risiko zum Beispiel für Zahlungsausfälle, da die Zahlungen auch über die App abgewickelt werden und die Taxifahrer ihre Forderungen an die Fahrgäste abtreten können. „Um ein Taxiunternehmen zu sein, ist es nicht erforderlich, dass die Beförderung auch durch das Unternehmen erfolgt“, so die Richterin. Dadurch werde myTaxi „in die Nähe“ von Taxiunternehmen gerückt.
Nach der ersten Verhandlung sieht es so aus, als würden die Rabatte von myTaxi zumindest in Stuttgart, Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen verboten. Nach vorläufiger Rechtsauffassung sei die Aktion wohl wettbewerbswidrig, sagte die Richterin während der Verhandlung Anfang Juni. Denn der Taxifahrer erhalte „nur grundsätzlich“ den vollen Tarif.
Eher nicht. Die Richterin machte klar, dass es nicht um den Schutz der Taxizentralen vor Konkurrenten gehe. Diese betreiben teilweise schon ihrerseits Apps, die ähnliche Dienste wie myTaxi anbieten.
Das tut er bereits: Der Deutsche Taxi- und Mietwagenverband (BZP) hat seinerseits eine einstweilige Verfügung gegen die Rabatte von myTaxi vor dem Landgericht Hamburg erwirkt. So solle unter anderem verhindert werden, „dass weiter in irreführender Weise flächendeckend bundesweit mit einem 50-prozentigen Rabatt auf Taxifahrten“ geworben werde. Die Branche befürchtet, dass Aktionen wie die von myTaxi die herkömmlichen Vermittlungszentralen Kunden kosten und die Strukturen des Gewerbes zerstören.
Sie beziehen sich in dem Schreiben, das der WirtschaftsWoche vorliegt, auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 1966. Damals dachte wohl keiner der Richter daran, dass es eines Tages Menschen geben würde, die ihre Taxen per App buchen und mit Kreditkarte zahlen – geschweige denn, dass ein „intelligentes“ Taxameter all dies speichern und den Behörden automatisch zugänglich machen kann. Taxifahren ist also längst im 21. Jahrhundert angekommen, die Regulierung steckt im 20. Jahrhundert fest.
Wie leicht sich dies ändern ließe, ist auf dem Taxikrisentreffen in Visselhövede zu bestaunen. Dort präsentiert Unternehmensberater Dirk Tangemann dem Publikum seinen cabman BCT. Das Wundergerät in der Größe eines Smartphones kommt aus den Niederlanden und Belgien, wo Fiskaltaxameter seit Jahren vorgeschrieben sind. Dort müsse jede Bewegung des Taxis abgebildet werden, sagt Tangemann. Deshalb könne der cabman auch Pausen managen, als Telefon genutzt werden, außerdem sei in den Drucker ein Magnetkartenleser für das bargeldlose Bezahlen integriert. Alle Daten würden gespeichert und seien jederzeit verfügbar – bei Bedarf auch für das Finanzamt. „Wir haben den deutschen Markt analysiert und uns entschlossen, nun anzubieten“, so Tangemann.
Er hätte kaum einen besseren Zeitpunkt wählen können. Über 20 000 Taxiunternehmen gibt es derzeit in der Bundesrepublik. Und der Großteil von ihnen, so stellen es Gutachter immer wieder fest, nimmt es mit der Steuerehrlichkeit nicht sehr genau. Gerade enthüllte eine Studie im Auftrag des Berliner Senats: Vier von fünf Taxibetrieben in der Hauptstadt hinterziehen Steuern. Über 50 Millionen Euro, schätzen die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, entgehen dem klammen Bundesland dadurch pro Jahr – genug, um alle Schlaglöcher der Hauptstadt zu stopfen. In anderen Kommunen der Republik sieht es nicht besser aus: 46 Prozent Betrugsquote in Stuttgart, 40 in Frankfurt, 38 in München, 27 in Düsseldorf. Auf über eine Milliarde Euro bezifferte der niedersächsische Landtag den bundesweiten Steuerschaden schon 2001. Inzwischen dürfte dieser weit höher liegen.
Wie leicht die Trickserei funktioniert, erläutert ein Taxifahrer während einer längeren Stadtrundfahrt durch eine deutsche Metropole. Der Mann ist etwa 40 Jahre alt und seit mehreren Jahren als Fahrer angestellt. Er will zwar unerkannt bleiben, aber reden. Schließlich litten alle ehrlichen Kollegen unter den Schwarzfahrern. „Entweder arbeitet man nur mit Schichtzetteln. Da kann man am Ende des Tages reinschreiben, was man will“, erzählt der Mann. „Oder der Betrieb hat ein elektronisches System wie wir. Da wird die Fahrt danach einfach im System storniert.“ Maximal 30 Prozent der Einnahmen würden überhaupt bei der Steuer angegeben, vermutet der Fahrer. „Für mich sind das hier fast griechische Verhältnisse, dort macht ja auch keiner das Taxameter an.“ Sein düsteres Fazit: „Wer ehrlich ist, kann mit Schwarzfahrern kaum mithalten.“