Schattenwirtschaft Schwarzarbeit ist heimliche Boombranche in Deutschland

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Schwarzarbeit ist ein Quelle: dpa-dpaweb

Eine solche Spirale verstetigt die psychologischen Effekte der Schwarzarbeit. Je mehr Schwarzarbeiter ein Mensch kennt, desto weniger wird er Schwarzarbeit als unrechtmäßig verurteilen. Forscher sprechen von sozialer Infektion. Schon jetzt halten 67 Prozent der Deutschen Schwarzarbeit für ein Kavaliersdelikt. Die Bürger wissen zwar, dass Arbeit gegen Cash verboten ist, „finden sie aber irgendwie okay“, sagt IW-Forscher Enste.

Das Akzeptieren und Tolerieren von Schwarzarbeit geht sogar soweit, dass selbst Leidtragende, die Chefs kleiner Betriebe, ihren Frieden mit der Schattenwirtschaft schließen. Sie verleihen am Wochenende Maschinen und Transporter an ihre Angestellten, die dann gegen Bares Rohre verlegen und Strippen ziehen. „Würde ich das meinem Gesellen untersagen, übernähme ein anderer den Auftrag“, sagt der Inhaber einer münsterländischen Installationsfirma. „So kann ich das Material verkaufen, und mein Mitarbeiter ist zufrieden.“

So denken viele. Die Deutschen betrachten es quasi als Notwehr gegen zu hohe Steuern und Sozialabgaben, wenn sie am Fiskus vorbei arbeiten und arbeiten lassen. Der typische Schwarzarbeiter, das belegen Studien, ist beileibe kein krimineller Außenseiter, sondern ein gut beleumundeter Handwerker, einer, der via Mund-Propaganda an seine Aufträge kommt. Zwei Drittel der Schwarzarbeiter führen überdies im Hauptjob brav ihre Steuern ab und werkeln erst nach Feierabend im Untergrund. „Schwarzarbeit“, sagt Forscher Schneider, „ist die Schweiz des kleinen Mannes.“

Diese breite Akzeptanz ist auch ein Alarmsignal für das Verhältnis von Staat und Bürgern. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid zeigt, dass Schwarzarbeit tief in demokratische Wählerschichten hinein verwurzelt ist. 22 Prozent der SPD-Wähler gaben demnach zu, in den vergangenen zwölf Monaten schwarz gearbeitet zu haben, 38 Prozent haben schwarz arbeiten lassen. Die Grünen-Anhänger, aber auch die Liberalen verhalten sich ähnlich. Einzig die Konservativen sind offenbar gesetzestreuer: Knapp 14 Prozent der Unions-Anhänger räumten ein, selber schwarz gearbeitet zu haben, 29 Prozent haben schwarz arbeiten lassen.

Dies bringt die Volksvertreter in eine schwierige Situation. Natürlich – sie müssen Schwarzarbeit verurteilen, der Staat muss die Spielregeln festlegen und auf deren Einhaltung pochen. Zugleich aber können es sich Politiker nicht leisten, Wähler zu verprellen. Ergebnis ist nach Ansicht einiger Ökonomen eine „enttäuschende Symbolpolitik, die sich ausschließlich auf die Verfolgung professioneller Schwarzarbeiter konzentriert, das Problem aber nicht bei der Wurzel packt“, sagt etwa Enste.

Erschwerend kommt hinzu: Niemand kann leugnen, dass auch die Schwarzarbeit ökonomisch stimulierende Effekte hat. Sie schafft Werte, die zu regulären Preisen nicht entstehen würden. Sie schafft Einkommen. Und Nachfrage. Denn zwei Drittel der Schwarzarbeiter geben das Geld gleich wieder aus, was die Binnennachfrage treibt. Das Problem dabei ist nur: Niemand weiß, um wie viel die negativen die positiven Effekte überwiegen.

Umfragen ergeben, dass nur ein Drittel der Waren und Dienstleistungen auch offiziell nachgefragt werden würden. Deshalb ist ökonomisch betrachtet ein Rückgang der Schwarzarbeit vor allem dann positiv, wenn es im gleichen Zug gelingt, illegale Jobs in legale Beschäftigungsverhältnisse umzuwandeln. „Bliebe Schwarzarbeit einfach aus“, lautet die provokante Botschaft des Schattenwirtschaftsforschers Schneider, „würde das einen immensen Wohlstandsverlust bedeuten.“

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