Schaulaufen der Kanzlerkandidaten Wer gewinnt die Wirtschaft?

Der Tag der Industrie ist das Hochamt der deutschen Wirtschaft. Für Armin Laschet, Annalena Baerbock und Olaf Scholz war es ein Schaulaufen. Quelle: dpa Picture-Alliance

Der Tag der Industrie ist das Hochamt der deutschen Wirtschaft. Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz hatten dort heute ihren Auftritt. Wer schlug sich wie? Ein wirtschaftspolitischer Spielbericht.

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Die Ausgangslage: War bestimmt von gutem Timing, denn seit gestern hat auch die Union ein Wahlprogramm. Alle drei Bewerber ums Kanzleramt hatten also pünktlich zum Tag der Industrie in der Berliner Verti Music Hall am Spreeufer endlich ihren Katalog im Gepäck. Und CDU-Chef Armin Laschet genoss noch dazu demoskopischen Rückenwind: Der Höhenflug der Grünen um Annalena Baerbock ist fürs Erste vorbei, SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz kann das Senkblei seiner Partei bisher nicht abstreifen.

Die Fragen des Tages: Corona war gestern, jedenfalls in den Reden der drei Spitzenpolitiker. Es ging (fast) ausschließlich um Klimaschutz. Wer besitzt das beste Konzept? Wer wirkt am glaubwürdigsten? Wem vertraut die Industrie am meisten, wenn es darum geht, den Wandel ohne Wohlstandsverlust zu organisieren?

Die größte Irritation: Annalena Baerbock verwies in ihrer Rede zwei-, dreimal auf das Motto des Industrietages: „Choicing the New“.  Choicing, really? Man musste Zweifel bekommen, ob Baerbock wirklich an der London School of Economics studiert hatte. Aber sie zitierte tatsächlich nur das offizielle Hashtag des Events, für das man besser vorher nochmal ein englisches Wörterbuch zu Rate gezogen hätte.

Der geschickteste Twist: Kam von Armin Laschet. Ja, es gebe eine Wechselstimmung im Lande, sagte der CDU-Chef. Pause. Moment, wollte er da etwa zugeben, dass seine Partei in den Augen der Wählerinnen und Wähler ausgetauscht gehöre? I wo. Es wechsle ja auch etwas, fuhr Laschet fort – Angela Merkel höre schließlich auf. Wahrscheinlich wird dies die CDU-Version des Gerhard-Schröder-Klassikers „Nicht alles anders, aber vieles besser machen“ – mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass die SPD aus der Opposition kam…

Der deutlichste Klartext: Diese Runde ging an Olaf Scholz. Fand jedenfalls Olaf Scholz. In der Tat wirkte der SPD-Vizekanzler, als wolle er hier und heute besonders beweisen, dass nur er kann, was alle anderen gern behaupten: die Dinge umsetzen. Scholz wetterte gegen die „Stromlüge“, dass also noch immer manche in der CDU glaubten, in Zukunft werde nicht mehr Energie benötigt. Er beklagte das „Schneckentempo“ beim Netzausbau. Memo in den Saal: „Es muss sich schon jemand kümmern.“ An wen der SPD-Politiker da wohl gedacht haben mag?

Die bemerkenswerteste Stille: Lag während der Rede von Annalena Baerbock in der Luft. Mehr als zehn Minuten hatte die Grüne schon gesprochen – und noch immer regte sich keine Hand zum Applaus. In den vergangenen Jahren hatte Baerbock beim Industrietag zum Teil furiose Auftritte hingelegt, aber da war sie eben auch noch nicht Kanzlerkandidatin mit dem Anspruch, das Land zu führen. Heute verhaspelte sie sich das eine oder andere Mal, brauchte sichtlich, um warm zu werden. Und der Saal auch. Erst als sie forderte, die Politik müsse endlich aufhören, die Wirtschaft zu verunsichern, klatschten die ersten.

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Der wertvollste Zuspruch: Erreichte Armin Laschet. Für dessen Bekenntnis zum Industriestandort Deutschland lobt ihn erst BASF-CEO Martin Brudermüller, dann fand auch Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz sehr freundliche Worte für das Zusammenspiel von Wirtschaft und Politik in Nordrhein-Westfalen. Laschet schwieg und genoss. Wenn der Wahlkampf so weiter gehen sollte - herrlich.

Das Fazit: Da können sich Baerbock und Scholz noch so sehr anstrengen und alle Register ziehen: Nimmt man die Sympathiebekundungen heute als Stimmungsbarometer, will die deutsche Industrie wohl doch am liebsten von Laschet behutsam in die Zukunft ge- und befördert werden. Wenn SPD und Grüne von Ambitionen sprechen, sorgt das in vielen Ohren offenbar doch eher für Irritationen.

Mehr zum Thema: CDU und CSU setzen in ihrem Wahlprogramm auf wirtschaftliche Angebotspolitik und verzichten auf mehr Steuern und höhere Schulden. Die Finanzierung der Ziele ist allerdings eine Wette auf die Zukunft.

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