Der plötzliche Stopp von Impfungen mit dem Präparat von AstraZeneca ist eine weitere Hiobsbotschaft für den ohnehin schon lädierten Ruf des deutschen Corona-Managements. Gemeinden mussten am Montag von jetzt auf gleich Impftermine absagen, die Auslastung der Impfzentren nimmt seitdem weiter ab.
Auszubaden haben diese Entscheidung Organisatoren und Helfer vor Ort. „Die Kommunen müssen mit dem Unmut der Menschen umgehen, die endlich geimpft werden wollen“, sagt Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds Deutschland. Dabei kann er die Entscheidung als solche sogar durchaus nachzuvollziehen. Es sei das Ergebnis einer Risikoabwägung gewesen, sagt er: „Schutz des einzelnen versus Schutz der Gruppe.“ Doch müsse die Regierung nun besser aufklären, „um das Vertrauen der Bevölkerung nicht vollständig zu verlieren“.
Doch alles kann auch Landsberg nicht mehr nachvollziehen, dafür läuft zu viel falsch im Kampf gegen die Pandemie. Er fordert konkrete Maßnahmen, um die Impfkampagne endlich zu beschleunigen.
1. Hausärzte schnellstmöglich einbeziehen
Die Impfkompetenz müsse schnellstmöglich auf die Hausarztpraxen übertragen werden, meint der Kommunalvertreter. Fünf Millionen Impfungen könnten dort nach Schätzungen pro Woche dezentral verabreicht werden. Und dabei sollten die Ärzte selbst über die Reihenfolge entscheiden dürfen, fordert Landsberg: „Warum vertrauen wir den Ärzten nicht mehr? Sie kennen ihre Patienten besser als ein Gremium, das pauschale Leitlinien ausgibt.“ Schließlich würden sie bereits jährlich mehrere Millionen Menschen erfolgreich gegen Grippe impfen.
Bisher würden in den Impfzentren zu viele Dosen noch verschwendet, weil die Impfreihenfolge nicht eingehalten werden kann. „Wenn Impfdosen nicht verwendet werden, haben wir ein massives Problem. Jeder Arm, der geimpft wird, ist besser als eine Impfdosis, die liegenbleibt.“
2. Kurzfristig die Bundeswehr nutzen, langfristig investieren
Deutschlandweit hilft die Bundeswehr bereits bei der Kontaktnachverfolgung in Gesundheitsämtern, bei der Durchführung von Coronatests oder der Verteilung von Impfstoffen. Die Kommunen seien froh über die zuverlässige Unterstützung der Soldaten, berichtet Landsberg. Doch kämen viele Städte und Gemeinden ohne ihre Hilfe bereits nicht mehr aus – und das sei ein Problem.
„Dass Deutschland auf die Bundeswehr angewiesen ist, zeigt die massiven Defizite im zivilen Bevölkerungsschutz“, sagt er. Daher müsse die Politik den Katastrophenschutz neu aufstellen. Konkret fordert Landsberg, die Kompetenzen des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe auf eine neue Rechtsgrundlage zu stellen und ihre Befugnisse bei länderübergreifenden Katastrophen, wie etwa einem Blackout, auszuweiten.
3. Weniger Bürokratie wagen
Landsberg fordert außerdem „mehr Geschwindigkeit, mehr Mut und weniger Bürokratie“ bei der Bekämpfung der Pandemie. Apps zur Kontaktnachverfolgung seien beispielsweise richtig. Doch verhinderten Datenschutzvorgaben verlässliche Ergebnisse. „Die Corona-Warn-App ist ein zahnloser Tiger“, kritisiert Landsberg – und wiederholt damit das Urteil des bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder aus dem November 2020. Denn die Nutzer könnten nicht sehen, wann und wo ein Risikokontakt stattgefunden habe.
Bei den Schnelltests müsste diese digitale Vernetzung und Dokumentation besser gelingen, etwa auch über den digitalen Impfpass. Doch auch dieser muss erst entwickelt werden. Ja, er wisse, dass man vieles, was in anderen Ländern möglich sei, nicht einfach auf Deutschland übertragen könne, sagt Landsberg. Und doch: „Wir schauen ehrfürchtig nach Israel.“
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