Vieles spricht dafür, dass eher Bürokratie und Kompetenzgerangel der Länder für den schleppenden Umbau verantwortlich sind. An den Bürgern in Friesland wird es kaum scheitern, sie haben schon Biogasanlagen in nächster Nähe, Solarparks auf dem Acker und Windräder in Sichtweite.
Bestes Beispiel ist Karen Hansen, ehrenamtliche Bürgermeisterin des Dorfes Horstedt bei Husum. Die resolute Biologin und Planerin im Ingenieurbüro ihres Mannes ist seit 40 Jahren gegen Atomkraft. Da müsse sie „ja nun ordentlich mitmachen“ beim Umbau, auch wenn der für ihr 750-Seelen-Dorf durchaus Nachteile bringt. Bisher überwiegen aber die Vorteile: Mehr als die Hälfte der Dörfler sind Mitinhaber der sechs Windräder in Ortsnähe, viele haben in Solarpaneele, andere in Biogasanlagen investiert. Der überwiegende Teil der Gewerbesteuereinnahmen von Horstedt stammt von den Strommühlen. Deshalb beschwert sich Hansen vor versammelter Politprominenz in Husum, dass ihre Gegend nun als Teil des „charakteristischen Landschaftsbildes“ eingestuft werde – weitere Windräder sind dann unmöglich. Das will sie nicht hinnehmen.
Strom surrt Tag und Nacht
Sicher ist, dass dort, wo die großen Windräder stehen, auch Höchstspannungsleitungen an Horstedt vorbeiführen sollen. „Bei feuchter Luft hört man da den Strom surren – Tag und Nacht“, sagt Hansen voraus. Auch ein Umspannwerk rückt den Horstedtern auf die Pelle. „Bislang ist das westlich und recht nah des Ortes geplant. Auch da trägt der Westwind fast alles herüber.“ Zuletzt waren die Netzbauer von Tennet vor Ort und haben mit Karen Hansen besprochen, ob etwas mehr Abstand zum Dorf einzuhalten geht. „Genau genommen sind wir Opfer unseres Erfolges“, urteilt die 57-jährige Bürgermeisterin. Weil die Friesen so viel Wind ernten, folgen eben Leitungen und Verteilerstation. „Man kann nicht sagen, dass man fünf Tage die Woche die Autobahn vor der Tür möchte, aber am Wochenende soll es, bitte schön, ruhig sein.“ Mit dieser Parole hofft Hansen, dem Widerwillen mancher Dörfler zu begegnen. Auch sie sieht aber weniger ihre Nachbarn und eher die Politiker als Bremser.
Das wollen die Wahlkämpfer so nicht betrachten. CDU-Spitzenkandidat de Jager favorisiert, dass nicht nur anderthalb Prozent der Fläche Schleswig-Holsteins, sondern bald sogar zwei Prozent für Windanlagen ausgewiesen werden können. SPD-Spitzenmann Albig will den Windmüllern vor allem beim Ersatz bisheriger Anlagen durch höhere und leistungsstärkere zur Seite stehen. Die sind allerdings lauter und müssen auch besser für Flugzeuge sichtbar gemacht werden. Mit roten Lampen, wie Genosse Albig stolz vermeldet. Doch de Jager will ebenso beim Publikum punkten, das sich an den Möglichkeiten der neuen Energien berauscht. Er kontert: „Tja, wir konnten uns leider mit schwarzen Leuchten nicht durchsetzen.“