Scholz bei Klimagipfel COP27 „Werden aus fossilen Brennstoffen aussteigen – ohne Wenn und Aber“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht bei einer Veranstaltung am Rande der Weltklimakonferenz COP27. Quelle: dpa

Bei der Weltklimakonferenz in Sharm el Sheik liegen die Reduktionsziele in weiter Ferne, aber die Industrieländer gehen mit höheren Entschädigungszahlungen einen Schritt auf die Entwicklungsländer zu.

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Bundeskanzler Olaf Scholz versuchte bei seinem Auftritt auf dem Weltklimagipfel im ägyptischen Badeort Sharm el Sheik erst gar nicht, die Dinge schön zu reden. Das Mindeste, was die knapp 200 Nationen zustande bringen sollten, sei eine „Verständigung auf ein robustes Arbeitsprogramm zur Emissionsminderung“, forderte der deutsche Regierungschef am späten Montagabend bei seiner Rede vor den Delegierten der COP27. Das Kürzel steht für „Conference of the Parties“ – so werden jene Staaten genannt, die die so genannte Klimarahmenkonvention unterzeichnet haben.

Doch auch bei dem aktuell 27. Versuch, die Erderwärmung aufzuhalten, sind die Nationen bei ihren jährlichen Zusammenkünften bislang nicht sonderlich weit gekommen, wie die Wortwahl des Kanzlers erkennen ließ. Es brauche noch „konkrete Minderungsschritte“, um die „klaffende Umsetzungslücke“ zwischen Ziel und Wirklichkeit zu schließen, betonte Scholz. Er bekräftigte das Ziel, den Höhepunkt der Treibhausgasemissionen spätestens 2025 zu überschreiten und bis 2030 die weltweiten Emissionen zu halbieren.

Berlin bereit zu mehr Finanzhilfe

Mit seinen ausdrücklichen Bekenntnissen zu den finanziellen Forderungen der Entwicklungsländer brachte Scholz Bewegung in die Debatte um den so genannten „global shield“. Die Länder des globalen Südens wollen von den Industriestaaten für die Folgen von Fluten, Hitzeperioden oder Stürmen entschädigt werden.

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Obwohl die Schäden mit der zunehmenden Erderwärmung jährlich größer werden, hatten die wohlhabenden Länder des Nordens die Forderungen bislang abgeblockt – aus Sorge, künftig für potenziell unbegrenzte Schäden in Anspruch genommen zu werden. Doch Scholz leitete eine Wende ein: „Zu Recht fordern die Staaten mehr internationale Solidarität, die von den Folgen des Klimawandels am härtesten betroffen sind, aber am wenigsten zu seiner Verursachung beigetragen haben“, sagte er in Sharm el Sheik. Deutschland sei deshalb bereit, sie künftig stärker zu unterstützen.

Transformation = Sicherheitspolitik

Die Bundesrepublik hatte die Mittel für die internationale Klimafinanzierung in den letzten drei Jahren um mehr als ein Drittel erhöht – auf zuletzt insgesamt 5,3 Milliarden Euro in 2021. Jetzt sollen sie bis 2025 auf sechs Milliarden Euro aufgestockt werden. Scholz betonte auch das Ziel und den Anspruch Deutschlands, bis 2045 als eines der ersten Industrieländer klimaneutral zu werden. „Wir werden aus den fossilen Brennstoffen aussteigen – ohne Wenn und Aber“, versprach der Kanzler, auch wenn man wegen der wegfallenden Gaslieferungen aus Russland jetzt kurzfristig gezwungen sei, mehr Kohle zu verfeuern.

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Die Welt spüre die Folgen des Krieges durch rasant steigende Preise für Energie und Nahrungsmittel. Aber der Krieg führe der Welt auch etwas anderes vor Augen: „Der Umstieg auf erneuerbare Energien, das Einsparen fossiler Brennstoffe – darin liegt nicht nur ein Gebot vorausschauender Klima-, Wirtschafts- und Umweltpolitik, sondern auch ein sicherheitspolitischer Imperativ“, betonte Scholz. Die Zukunft, so der Kanzler, „gehört Windkraft, Solarenergie und grünem Wasserstoff“.

„Menschheit steuert auf einen Abgrund zu“

Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die erst zum Ende der Konferenz in einigen Tagen nach Ägypten reisen wird, betonte die Notwendigkeit für ein Umdenken mit drastischen Worten. „Die Menschheit steuert auf einen Abgrund zu, auf eine Erwärmung um 2,5 Grad, mit verheerenden Auswirkungen auf unser Leben auf dem einzigen Planeten, den wir haben“, warnte sie. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sprach in einer Videobotschaft von einer „grassierenden, galoppierenden“ Erderwärmung. „Die Tendenz ist so, dass man vor der Größe der Aufgabe langsam erschauert“.

Trotz der geringen Erwartungen sehen Experten den Wert der COP27 vor allem darin, dass sie Transparenz über die noch weit entfernten Ziele schaffe. Zwar wirtschaften viele Länder schon nachhaltiger und auch die Unternehmen und großen Finanzinstitute haben auf eine grüne Transformation und das Ziel einer CO-2-neutralen Ökonomie umgeschaltet. Doch die bereits 2015 formulierte Absicht, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen, ist praktisch nicht mehr einzuhalten – schon heute wird die Erderwärmung auf 1,1 Grad taxiert – mit rasant steigender Tendenz. Jenseits der 1,5 Grad befürchten Wissenschaftler das Eintreten von „Kippelementen“ im Klimasystem, die unkontrollierbare Kettenreaktion auslösen können.

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