Schuldenrückkauf-Programm Griechenland-Retter gehen volles Risiko

Läuft alles so, wie es sich die Euro-Retter ausmalen, sollte bald Ruhe einkehren an der Griechenland-Front. Doch die Aussichten dafür sind mäßig. Ein Kernelement des neuen Hilfsprogramms ist zugleich das größte Risiko.

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Griechische Fahnen in Athen am Panathinaiko Stadion vor der Akropolis. Quelle: dapd

Berlin Noch ist der nächste Akt der Griechenland-Tragödie nicht zu Ende gespielt. Diverse Unsicherheiten belasten schon jetzt den politischen Abstimmungsprozess über die jüngsten Beschlüsse der Euro-Retter. Und es ist auch nicht sicher, ob danach alles gut wird. Das gibt auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu. "Man weiß nie, ob sich das alles exakt so verhält", sagte er am Dienstag ein paar Stunden nachdem er bis spät in die Nacht hinein mit seinen Kollegen in Brüssel ein neues Finanzkonzept für das Land gezimmert hat. Auf die Frage, ob denn nun endgültig alles klar sei, antwortet er: "Mit endgültig ist es bei dem, was wir vor uns haben, so eine Sache." Selbst bei Eingeweihten bleiben viele Fragezeichen.

Seit nunmehr fast drei Jahren kämpfen die Euro-Länder und ihre führenden Politiker darum, wieder festen finanziellen Boden unter das dramatisch überschuldete Griechenland zu ziehen. Der durchschlagende Erfolg ist bislang ausgeblieben, trotz zweier Hilfspakete mit jeweils über 100 Milliarden Euro Volumen, trotz eines Milliarden-Forderungsverzichts der privaten Investoren. Auch ob das neueste Konzept trägt, ist selbst nach Einschätzung der Autoren durch viele Unwägbarkeiten und Unsicherheiten geprägt. Was bleibt ist - wie gehabt - vor allem eines: die Hoffnung.

Der gravierendste Unsicherheitsfaktor ist dummerweise auch der zentrale Baustein des vereinbarten neuen Konzepts: das Schuldenrückkaufprogramm, mit dem Griechenland selbst seinen Schuldenberg massiv abtragen und seine laufenden Tilgungs- und Zinszahlungen deutlich senken soll. Es zielt auf Staatsanleihen im Volumen von gut 60 Milliarden Euro ab - gehalten von griechischen Banken, Pensionsfonds und anderen Institutionen des Landes und von privaten Gläubigern wie Hedgefonds. Ob diese auf das Angebot anspringen, zu womöglich nur einem Drittel des ursprünglichen Wertes Anleihen an den griechischen Staat zu verkaufen, steht in den Sternen. Das räumen auch Schäubles Leute ein. Am 13. Dezember, wenn diese Aktion gelaufen sein soll, wird man Genaueres wissen.

Immerhin: Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) befürwortet den Rückkauf von griechischen Staatsanleihen am freien Markt. „Ein freiwilliger Rückkauf ist wohl die beste aller Optionen, da gegen keine Gesetze oder Regeln des Marktes verstoßen wird“, sagte SdK-Vorstandsmitglied Daniel Bauer Handelsblatt Online. „Ein Schuldenschnitt auch der öffentlichen Institutionen sollte nur dann erwogen werden, wenn trotz Zinsverzicht und Schuldenrückkauf sich die Situation nicht verbessern sollte“, fügte er hinzu. „Aber anhand von langfristigen Planszenarien bis ins Jahr 2022 hinein heute schon einen Schuldenschnitt für unausweichlich zu erklären, ist hochspekulativ.“   


Commerzbank: Schuldenrückkauf könnte substanziell wirken

Eine seriöse Einschätzung über die Erfolgsaussichten zum geplanten Schuldenrückkauf könne man derzeit aber nicht abgeben, da die Details des Rückkaufplans noch nicht bekannt seien, sagte Bauer weiter. Je nachdem welches Verfahren man anwende, würden die Erfolgsaussichten sinken oder steigen. „Generell kann der Schuldenrückkauf  jedoch vor allem  für diejenigen spekulativen Investoren wie Hedgefonds eine Ausstiegsoption sein, welche zuvor die Anliehen günstig am Markt erworben haben, und nun zu den aktuellen Kursen auf ansehnlichen Renditen sitzen“, sagte Bauer.

Zudem könne das Konzept für Privatanleger eine Option sein, wenn der Rückkauf der Anleihen gebührenfrei erfolgen könne. „Da viele Privatanleger seit der Zwangsumschuldung auf Ministückzahlen von 20 verschiedenen Anleihen sitzen, kann dies eine Option sein, das Depot nun zu bereinigen“, erläuterte Bauer. Außerdem dürfe „nicht vergessen werden, dass eventuell über politischen Druck Banken und Versicherer zum freiwilligen Andienen der Anleihen gedrängt werden könnten“.

Wie auch immer das Programm in Gang gesetzt wird, eine große Entlastung für Griechenland könnte der Rückkauf zumindest theoretisch bringen. „Zurzeit halten die privaten Gläubiger noch griechische Staatsanleihen mit einem Nominalwert von 67 Milliarden Euro“, rechnet Chefvolkswirt Jörg Krämer von der Commerzbank vor. Unter der Annahme, dass die Hälfte der Gläubiger bereit wäre, ihre Anleihen zu einem Abschlag von 70 Prozent zu verkaufen, würde dies die griechischen Staatsschulden um gut 23 Milliarden Euro reduzieren. „Das entspräche zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes und wäre damit substanziell.“ Ungefähr die Hälfte der jüngst beschlossenen Schuldenreduktion käme über den Rückkauf.

Doch es gibt auch Fallstricke. Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des Programms sei fraglich, ob es auf eine hohe Resonanz stoßen wird, sagt Experte Sebastian von Koss vom Bankhaus HSBC Trinkaus. „Zum einen darf an der Bereitschaft der einzelnen Marktteilnehmer gezweifelt werden, sich von den Anleihen zu Kursen knapp über den aktuellen Preisen zu trennen.“ Aufgrund der hohen Anzahl neuer Anleihen wäre die Teilnahme an einem Rückkauf zudem mit hohen Transaktionskosten verbunden. „Beide Umstände sprechen für eine geringe Teilnahmequote.“


Schäubles Plan B

Um Spekulanten abzuschrecken, die in der vergangenen Woche bereits im großen Stil auf Rückkäufe gezockt hatten, soll der Umtauschpreis nicht höher sein als der Kurs am vergangenen Freitag. Das bedeutet, Anleger würden nicht mehr als 30 bis 35 Cent je Euro Nennwert erhalten. Die Kurse der griechischen Staatsanleihen sind über einen längeren Zeitraum gesehen durch die Krise so stark gesunken, dass sie nur noch rund ein Drittel vom Ausgabepreis wert sind. Im Zuge der Diskussion über ein mögliches Rückkaufsprogramm waren sie vor der Einigung bereits deutlich gestiegen.

Auch wenn die Risiken bei griechischen Anleihen auch mittel- bis langfristig weiter hoch bleiben dürften, halten Finanzmarktexperten den Umtauschpreis für nicht besonders attraktiv. Viele Anleger könnten deshalb die Zeit aussitzen bis die Anleihen fällig werden und in voller Höhe zurückgezahlt werden müssen. Nach Bekunden der Eurogruppe, Griechenland nicht Pleite gehen zu lassen, hatten sich etliche mit den Staatspapieren eingedeckt und kassieren in der Zwischenzeit die hohen Zinsen.

Auch Schäuble ist offenbar nicht hundertprozentig vom Erfolg des Rückkaufprogramms überzeugt. "Wir haben ein Ergebnis unterstellt", sagte er, ohne es freilich zu nennen. Ansonsten verweist er auf Erfahrungen aus dem ersten Schuldenschnitt zulasten privater Gläubiger, der am Ende auch gelungen sei. "Wir sind relativ zuversichtlich, dass er klappen kann", formuliert er sehr vorsichtig. Und wenn nicht? "Würde die Aktion nicht die Ergebnisse bringen, die wir unterstellt haben, ... dann müsste die Troika (aus EZB, IWF und EU-Kommission) andere Maßnahmen treffen oder in anderer Weise sich mit der Frage beschäftigten", sagt Schäuble wolkig. Dann müsste man wieder über andere Instrumente sprechen. "Also Instrumente stehen zur Verfügung", bleibt Schäuble vage.

Mit Material von Reuters und dpa

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