Schulschiff soll 2021 wieder segeln „Gorch Fock“ hat Steuerzahler mehr als zehnmal so viel gekostet, wie geplant

Die Generalüberholung des Dreimasters wird fünfeinhalb Jahre gedauert haben. Den deutschen Steuerzahler wird sie 135 Millionen Euro gekostet haben statt wie geplant 10 Millionen Euro. Quelle: dpa

Was lange währt, wird endlich gut? Das Segelschulschiff „Gorch Fock“ strahlt wieder in weiß und soll zur Jahresmitte in See stechen. Doch an Land wird das Sanierungsdebakel nachwirken und Millionen kosten.

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Die teure und langwierige Sanierung des Marineschulschiffs „Gorch Fock“ steuert auf ihr Ende zu. Die Marine rechnet damit, ihr über 60 Jahre altes Segelschiff in fünf Monaten zurückzubekommen. „Die Instandsetzung verläuft aktuell planmäßig, so dass nach derzeitiger Bewertung die Fertigstellung bis zum 31. Mai 2021 erfolgen wird“, sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin.

Dann wird die Generalüberholung des Dreimasters fünfeinhalb Jahre gedauert haben. Den deutschen Steuerzahler wird sie 135 Millionen Euro gekostet haben statt wie geplant 10 Millionen Euro. Schlechte Vorplanung durch die Marine - so sah es der Bundesrechnungshof - und Unregelmäßigkeiten beim früheren Hauptauftragnehmer haben zu dem Debakel geführt. Deshalb dürfte es an Land noch auf Jahre hinaus Ärger geben, selbst wenn die „Gorch Fock“ schon wieder auf dem weiten Meer segelt als Botschafter Deutschlands und seiner Marine.

Die Bremer Lürssen-Werft baut die Bark in Berne an der Unterweser fertig. Derzeit erfolge der Innenausbau, sagt der Bundeswehrsprecher. Die Masten erhielten die Takelage. Erste Anlagen würden in Betrieb genommen. Was wegen der Gerüsthalle über dem Schiff von außen nicht zu sehen ist: Seit einigen Wochen hat der Stahlrumpf seine weiße Farbe wieder. Während der Sanierung hatte der Rumpf einen graugrünen Schutzanstrich getragen. Ziel sei, dass die „Gorch Fock“ im März aus dem Dock wieder ins Wasser komme, sagt der Sprecher.

Lürssen baut Jachten für Superreiche und Marineschiffe, Verschwiegenheit gehört zum Geschäft. Zur „Gorch Fock“ hat sich die Werft ebenfalls nur selten geäußert. Die Instandsetzung sei „auch für uns eine besondere Herausforderung“, sagt Geschäftsführer Tim Wagner immerhin. Das Arbeiten an der Takelage und der mechanischen Ruderanlage sei für die Mitarbeiter nicht alltäglich. „Zugleich hat dieser Auftrag eine emotionale Komponente: Wir alle auf der Werft kennen die Bedeutung dieses Segelschulschiffes für die Deutsche Marine.“

Eine Unsicherheit vor der Fertigstellung: Naturschützer werfen dem Bund vor, für das Deck der „Gorch Fock“ illegal geschlagenes Teakholz aus Indonesien importiert zu haben. Sie haben beim Verwaltungsgericht Köln darauf geklagt, das Einbauen des Hartholzes zu stoppen. Eine Entscheidung steht noch aus. Zwei Instanzen sahen in Eilbeschlüssen vom vergangenen Dezember aber keinen Anlass für einen Baustopp.

„Die Vorwürfe richten sich gegen den Holzimporteur und die Importzulassung durch die Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft (BLE), die für die Bewertung der Legalität von Holzimporten zuständig ist“, sagt der Bundeswehrsprecher in Berlin.

Zu dem bleibenden Ärger an Land gehören Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Osnabrück gegen zwei frühere Vorstände der Elsflether Werft und mehrere Marinemitarbeiter. Es geht um Betrug, Untreue und Korruption. Die kleine Werft an der Unterweser hatte die „Gorch Fock“ jahrzehntelang gewartet und sich auch den Auftrag für die Generalüberholung gesichert.

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Doch die Vorstände sollen Geld der Marine in dubiose Nebengeschäfte gesteckt haben, was sie bestreiten. Seit Februar 2019 ist die Elsflether Wert AG insolvent. Gläubiger haben beim Insolvenzverwalter Forderungen von 87 Millionen Euro angemeldet. Seit Jahresende ist das Werftgelände mit über 100 Jahren Schiffbautradition verwaist, ein Käufer wird gesucht. Im Visier der Ermittler sind auch Zulieferer zur „Gorch Fock“. Der Gesamtkomplex zählt nach Angaben der Staatsanwälte mehr als 100 Einzelverfahren.

Auf der „Gorch Fock“ bringt die Marine ihren Offiziersanwärterinnen und -anwärtern traditionelles Seemannshandwerk bei. „Die erste Ausbildungsreise soll von Kiel aus starten“, kündigt der Bundeswehrsprecher an. „Sie ist für Juli 2021 geplant und wird durch nordeuropäische Gewässer gehen.“ Vorher werden die Kadetten noch auf dem gecharterten Segler „Alexander von Humboldt II“ üben. Der letzte Törn sei vom 12. bis 25. Februar 2021 geplant.

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