Schutz von Leben in der Coronakrise Ökonomen und Politiker für Schäuble-Vorstoß „dankbar“

Debatten-Auslöser: Wolfgang Schäuble hatte jüngst mit Blick auf die Einschränkungen in der Corona-Krise gesagt, die Aussage, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten sei „in dieser Absolutheit nicht richtig“. Quelle: dpa

Wolfgang Schäuble hat davor gewarnt, in der Coronakrise dem Schutz des Lebens alles unterzuordnen. Führende Ökonomen und Politiker begrüßen den Vorstoß des Bundestagspräsidenten, weil er eine „ethische schwierige, aber unvermeidbare Frage in den Mittelpunkt rückt“. Die Debatte müsse offen geführt werden.

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Die von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) angestoßene Debatte über den Umgang mit der Coronapandemie ebbt nicht ab. Politiker aus CDU und FDP halten nichts von Denk- oder Diskussionsverboten – und plädieren dafür, den Schutz der Bürger und das Bewahren der Wirtschaft gemeinsam in den Blick zu nehmen.
„Nur eine starke Wirtschaft garantiert uns auch ein starkes Gesundheitssystem. Wir dürfen beides nicht gegeneinander ausspielen“, sagt Carsten Linnemann, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion der CDU/CSU. „Wenn Hygiene und Abstandsregeln eingehalten werden, muss mehr Offenheit möglich sein. Und Debatte darüber auch.“
Der Bundestagspräsident habe „den wunden Punkt der Bundesregierung und vor allem der Kanzlerin angesprochen“, sagt FDP-Bundestagsfraktionsvize Michael Theurer: Auch der Schutz von Leben und Gesundheit und die daraus resultierenden, tiefgreifenden Einschränkungen unserer Grundrechte müssten kontinuierlich überprüft und angepasst werden, fordert Theurer. „Gesundheitsschutz hat momentan die höchste Priorität, aber er kann nie die alleinige Priorität haben.“

Diskursverweigerung sei hingegen „eine Masche Merkels. Eine alternativlose Politik gibt es in einer Demokratie allerdings nicht“, so der FDP-Politiker. Die Eingriffe der Bundesregierung in die Grundrechte der Menschen im Land seien sehr tiefgreifend, auch sie sorgten für „massive ökonomische und soziale Einschränkungen“.
Schäuble hatte am Wochenende davor gewarnt, dem Schutz von Leben in der Coronakrise alles unterzuordnen. „Wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muss ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig”, sagte er dem Tagesspiegel. Wenn es überhaupt einen absoluten Wert im Grundgesetz gebe, dann sei das die Würde des Menschen. „Die ist unantastbar. Aber sie schließt nicht aus, dass wir sterben müssen.” Der Staat müsse für alle die bestmögliche gesundheitliche Versorgung gewährleisten. „Aber Menschen werden weiter auch an Corona sterben.”

Grundsätzlich zustimmend, im Detail aber zurückhaltend äußern sich auch führende Ökonomen. „Ich bin Bundestagspräsident Schäuble dankbar, dass er diese ethisch schwierige, aber unvermeidbare Frage in den Mittelpunkt rückt: Die Würde des Menschen schließt den Tod mit ein“, sagt der Präsident des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther. Konkret sei zu überlegen, in welchem Verhältnis Intensivmedizin und Palliativmedizin jetzt stehen. In eine ähnliche Richtung äußert sich Clemens Fuest, der Chef des Münchner ifo-Instituts: „Die Aussage von Herrn Schäuble, dass es neben dem Schutz vor Ansteckung andere Anliegen im Corona-Krisenmanagement gibt, kann man nur unterstreichen. Wir haben es mit verschiedenen Risiken zu tun und müssen abwägen.“

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