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Schwarz-Gelb Wie ein mutiges Reformprogramm aussehen müsste

Deutschland hat Reformen gewählt. Ein idealer Koalitionsvertrag verbände Sparsamkeit mit einer einfachen Einkommensteuer, Wettbewerb im Gesundheitswesen und Arbeitsmarktreformen.

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Angela Merkel und Guido Quelle: AP

Wenn die neuen Koalitionäre zusammensitzen, dann ist’s, als würde ihnen ein kleines Männchen warnend ins Ohr wispern. Und manchmal, da sagen sie es sich auch gegenseitig, so wie einer der CSU-Matadore: „NRW darf nicht verloren gehen.“ Denn büßte die schwarz-gelbe Landesregierung in Düsseldorf ihre Macht ein, wäre auch die Mehrheit der Bürgerlichen im Bundesrat futsch, die sie für radikale Reformen bräuchten. Wenn sie denn wollten.

Der neue Koalitionsvertrag muss drei Funktionen erfüllen und drei Hauptprobleme lösen. Er soll Orientierung geben, Vertrauen schaffen und allen Parteien das Gesicht wahren. Und er muss die wichtigsten Reformbaustellen aufreißen, für Wachstum und Beschäftigung: Steuern und Bundeshaushalt; Arbeitsmarkt und Sozialbeiträge; Gesundheitswesen.

Die Chancen für tiefgreifende Reformen stehen so gut wie seit fast 30 Jahren nicht mehr. Helmut Kohl wurde 1982 nicht trotz, sondern wegen seiner Ankündigung gewählt, alle müssten den Gürtel enger schnallen, um Massenarbeitslosigkeit und gigantische Verschuldung zu wenden. Auch bei dieser Bundestagswahl machte diejenige Partei den größten Sprung nach vorn, die sich am deutlichsten für einen Umbau von Steuer- und Sozialsystem einsetzte: die FDP.

Peer Steinbrück, der scheidende SPD-Finanzminister, kann es auch am Tage nach der Stimmenauszählung nicht fassen. „Inmitten der größten Wirtschafts- und Finanzkrise“ hätten die Deutschen „nicht etwa kapitalismuskritisch gewählt, sondern eine konservativ-liberale Bundesregierung, die partiell stramm markttheoretisch orientiert ist.“ Ob Agenda 2010, Hartz IV oder Rente mit 67 – nirgends hätten die Bürger von den neuen Regenten Besseres zu erwarten. 1,5 Millionen Wähler – „also mehr, als zur Linkspartei gingen“ – seien von den Sozialdemokraten zu CDU/CSU und FDP übergelaufen. Selbst an Opel-Standorten wie Rüsselsheim und Eisenach.

Tarif auf Rädern

Und die Bürger bereuen nichts. Die Meinungsumfragen nach der Bundestagswahl wiederholten das offizielle Resultat sogar mit einem leichten Plus für die neuen Partner. Mehr noch: Hielten vor dem 27. September 39 Prozent Schwarz-Gelb für eine gute Lösung, waren es eine Woche danach schon 46 Prozent. Von Erschrecken über das Ergebnis keine Spur.

CDU/CSU und FDP hatten ihren Wahlkampf auf Verlässlichkeit gegründet: nicht mehr versprechen, als zu halten ist. Und (möglichst) alles halten, was versprochen wurde. Das bedeutet: Wer Wachstum und Arbeitsplätze schaffen will, muss Steuern und Abgaben senken.

Bei Unternehmen- und Erbschaftsteuer ist das noch recht einfach. Nachdem schon die vorigen Regierungen die Last für die Betriebe mehrmals gesenkt hatten, sind jetzt nur noch Korrekturen nötig. Dass Zinsen wieder zumindest deutlich stärker gewinnmindernd angesetzt werden können, muss ebenso kommen wie eine praktikable Regelung bei der Erbschaftsteuer. Bislang bleibt das Übertragen von Unternehmen nur steuerfrei, wenn die Lohnsumme in den folgenden zehn Jahren nicht erheblich sinkt. In Krisenzeiten kann das tödlich sein – für die Firma. Praktisch für die Koalitionäre: Diese Änderungen kosten insgesamt maximal 1,5 Milliarden Euro.

Viel schwieriger ist die Rosskur für die Einkommensteuer. Im Mittelpunkt: die kalte Progression. Steigt die Lohnsumme um einen Prozentpunkt, wächst die Steuerlast dank der Progression um zwei. Das beste Mittel dagegen: ein Tarif „auf Rädern“, wie es Experten nennen. Die Einkommensgrenzen, bei denen der nächsthöhere Steuersatz greift, steigen mit der Inflation. Die reale Last des Zahlers bleibt gleich.

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