
Länger konnte sie nicht schweigen. Mit der heute endenden CDU-Vorstandsklausur beginnt auch für sie das politische Jahr. Und am Sonntag treffen sich die drei Parteivorsitzenden Merkel, Horst Seehofer (CSU) und Guido Westerwelle (FDP) zum ersten Gipfel. Krisengipfel, heißt das in den Medien. Denn zumindest das öffentliche Bild der nicht einmal 100 Tage alten schwarz-gelben Koalition ist ramponiert.
Wochenlang ließ die Bundeskanzlerin den Streit in der Koalition laufen. Die Union versuchte, die FDP als unsolide zu brandmarken, weil sie trotz leerer Kassen auf Steuersenkungen setzt. Und die FDP beharrte auf den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag, schon weil sie deutlich machen will, dass sie eine Wende in der Steuerpolitik durchsetzt. Schließlich hatte die FDP genau mit diesem Versprechen ihr historisch bestes Wahlergebnis erzielt. In Wahrheit geht es bei dem Konflikt nicht nur um die Wahl in Nordrhein-Westfalen im Mai, sondern bereits um die Ausgangsposition für die Bundestagswahl in vier Jahren: CDU und CSU wollen die bürgerlichen Wähler zurückgewinnen, die während der Zeit der großen Koalition zu den Liberalen abgewandert waren.
Merkels Fehler: Durch ihr Schweigen hat sie zugelassen, dass die Koalition ihr erstes Gesetz kaputtgestritten hat. Von Wachstumsbeschleunigung kann keine Rede sein, wenn die Politik dem Bürger nur zwei Botschaften zubrüllt: Als zerstrittener Haufen wissen wir nicht, in welche Richtung wir wollen. Und: Wir subventionieren Hotels mit einer Milliarde Euro. So entstehen weder Zuversicht noch Konsum- und Investitionsfreude.
Traum von 40 Prozent
Das Stillhalten der Kanzlerin entspricht zum einen ihrem Macht- und Regierungsstil, den sie seit Jahren pflegt: Nicht zu früh positionieren, so lange noch unklar ist, wohin sich die Mehrheit wendet. Und vor allem: Keine Machtworte, die nicht auch garantiert zu Erfolg führen. Hier kam jetzt noch ein drittes Motiv dazu: Merkel ist selbst daran interessiert, den Partner FDP so weit zu dezimieren, dass er nicht übermütig bleibt.
Der Traum der CDU-Vorsitzenden: Die eigene Partei kommt doch wieder nah an die 40 Prozent heran, indem sie von den Liberalen, den Grünen und der SPD jeweils zwei Prozentpunkte (zurück-)gewinnt. Dann hätte die Union tatsächlich eine strategische Position. Denn bei einer konstant starken Linkspartei hätten die drei anderen Parteien nicht einmal gemeinsam eine Mehrheit. Und einer Viererbande von Linkspartei bis FDP ist ausgeschlossen. Vorteil Merkel: Die CDU-Chefin könnte dann alle vier Jahre auswählen, mit welchem der drei strukturell schwachen Partner sie gern regieren möchte.