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Schwarz-rote Bundesregierung Sommertheater gefährdet den Koalitionsfrieden

Die Parlamentspause 2014 wird zum handfesten schwarz-roten Beziehungstest: Gleich eine ganze Handvoll Minister haben das Zeug zu Hauptdarstellern eines sehr verbissenen Sommertheaters.

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Quelle: rtr

Hinter den Fenstern plätscherte leise die Havel, die warme Potsdamer Nachmittagssonne schimmerte sanft in den Saal, und der Justizminister tat sein Bestes, um die jungen Zuhörer nicht zu überfordern. Heiko Maas redete erst über die Europawahl, schlängelte sich von dort zum SPD-Mitgliedervotum, das ihn zu Volksbegehren in ihrer An- und Fürsichlichkeit führte und irgendwann auch zur Regierungsarbeit. Maas machte rote Häkchen an Mindestlohn und Rente, dann gönnte er den Anwesenden noch einen kleinen Seitenhieb zur Frauenquote: Fast hätte er bei der vielen Kritik das Gefühl bekommen, es gäbe in Deutschland überhaupt gar keine guten, fähigen Frauen.

Nur für den Fall aber, dass sich die Teilnehmer der Sommeruni der Friedrich-Ebert-Stiftung vom Minister einen wegweisenden Impulsvortrag erhofft hatten, wurden sie enttäuscht. Impulse und Weisungen hatte Maas keine mitgebracht.

Der Applaus klang allenfalls höflich. Was von Maas blieb, war der Eindruck behaglicher Zufriedenheit – zumindest des Teils der Regierung, der ein SPD-Parteibuch sein Eigen nennt. Danach wollte immerhin eine kritische Studentin wissen, wo die guten Forderungen nach Steuererhöhungen geblieben seien. Nun ja, antwortete der Minister, mit 25 Prozent der Stimmen sei das leider schwierig, und außerdem müsse man auch ein bisschen Verständnis haben: Mit dem Koalitionspartner sei da nichts zu machen. Leider, leider. Besonders enttäuscht klang Maas nicht.

von Cordula Tutt, Christian Schlesiger, Max Haerder

Sommerlaune

Sein Auftritt passt zur ersten Sommerbilanz der großen Koalition, denn er verbirgt das Konfliktpotenzial, das sich unter der satten Sommerlaune langsam aufbaut. Die Sozialdemokraten tragen stolz und zufrieden ihren Ruß aus dem Maschinenraum der Macht. Auf dem Sonnendeck hingegen fragen sie sich in der Union so langsam, wozu die ganze Bräune eigentlich gut sein soll.

Der Frustpegel bei CDU und CSU steigt. „Unzufriedenheit gibt es in jeder Koalition“, beschwichtigt zwar CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Die Bürger interessiere weniger, wer sich wo durchsetze. „Es geht um passende Ergebnisse fürs Land.“ Aber auch er weiß: In der eigenen Fraktion ist die Stimmung alles andere als gut, es fehlt – außer der Mütterrente – Herzeigbares in Schwarz. Also müssen die wenigen Erfolge umso mehr herausgestrichen werden: „Der ausgeglichene Haushalt, den wir 2015 anstreben, ist eine Leistung der CDU“, sagt Tauber.

Keine weiteren roten Prestigeprojekte

Sorgten sich CDU und CSU zu Beginn der Regierungszeit noch, ob die SPD bei der erstbesten Gelegenheit in ein rot-rot-grünes Linksbündnis flüchten würde, so sind es mittlerweile die Sozialdemokraten, die sich um den maladen Gemütszustand des Regierungspartners Gedanken machen. Wohl wahr, offiziell gilt die Stimmung bei Schwarz-Rot weiterhin als bestens. Dennoch: Die Zeit des Gönnens, das spürt so mancher sensibler Genosse, ist vorbei. „Unser Problem“, sagt einer, „ist unser Erfolg.“

Noch mehr rote Prestigeprojekte will die Union künftig nicht einfach durchgehen lassen. Früher bedeutete Sommerloch, dass Hinterbänkler mit wilden Vorstellungen ihre Chance auf 15 Zeitungszeilen Ruhm suchten. Daraus dürfte 2014 nichts werden. Diese Parlamentspause ist gefüllt mit zahlreichen wichtigen, aber nur halb fertigen Gesetzesvorhaben, die das Zeug haben zum Drehbuch für ein wirklich ernstes Sommertheater. Und diesmal sind auch andere Kaliber mitten im Getümmel, nicht nur Komparsen von der Hinterbank: die zuständigen Minister.

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