Wie viele organisierte Banden ihr Unwesen auf den Baustellen treiben und um wie viele Milliarden diese den Fiskus und die Sozialversicherungen betrügen, das weiß Bundesfinanzminister Schäuble naturgemäß nicht. Aber sein Zoll-Abteilungsleiter Julian Würtenberger spricht von einem „flächendeckenden Phänomen“. Noch deutlicher werden die Ermittler, die in den zuständigen Hauptzollämtern vor Ort die Übeltäter aufspüren sollen. Es seien „100 Prozent der Baustellen von organisierter Kriminalität betroffen“, lautet der gefühlte Eindruck einiger Fahnder. Nach Informationen des Zolls sind mafiöse Beschäftigungspraktiken nach dem gleichen Muster auch bei Speditionen, auf Schlachthöfen und – pikanterweise – bei Sicherheits- und Wachdiensten an Flughäfen verbreitet.
Aufträge mehrfach weitergereicht
Insbesondere am Bau lädt die gängige Praxis, mit Subunternehmern zu arbeiten, kriminelle Banden geradezu ein. Selbst große und renommierte Konzerne wie Hochtief oder Bilfinger beschäftigen so gut wie keine eigenen Bauarbeiter mehr. Stattdessen vergeben sie Unteraufträge an Subunternehmen. Das senkt die Kosten und erhöht den Profit. „Auf den Baustellen wird enorm viel gesubt“, sagt Armin Rolfink, Leiter des FKS-Referats im Bundesfinanzministerium. Teilweise werden Aufträge bis zu sieben Mal von Unternehmen zu Unternehmen weitergereicht, wobei von Stufe zu Stufe die Preise sinken. Jedes Mal wird ein Teil des Geldes einsackt – und Vater Staat nach Möglichkeit betrogen.
Das serbisch-iranische Duo hatte einen florierenden Handel mit Scheinrechnungen betrieben, bevor die ZUZ zuschlug. Ihre Rechnungen für fiktive Leistungen haben verschiedene Trockenbaufirmen in ihren Büchern verbucht. So herrschte dort auf den ersten Blick Ordnung für den Fall, dass das Finanzamt oder die FKS mal nachschauen.
5 Gründe gegen Schwarzarbeit
Schwarzarbeit im Haushalt ist eine Ordnungswidrigkeit. Wer erwischt wird, muss deshalb mit einer Geldbuße von bis zu 300.000 Euro rechnen. Außerdem haben Haushaltshilfen, die ohne Anmeldung arbeiten wollen, schwierige Gründe dafür – so haben sie zum Beispiel keine Arbeits- oder sogar keine Aufenthaltserlaubnis. Werden sie erwischt, droht ihnen in diesem Fall die Ausweisung.
Eine Putzhilfe, die nicht gemeldet ist, arbeitet um die Staatskasse herum und zahlt somit auch nicht in die sozialen Sicherungssysteme ein. Wer seine Einnahmen nicht voll angibt, behält Gelder, die ihm nicht zustehen und letztlich bleibt so weniger Geld für diejenigen übrig, die es wirklich brauchen.
Nur eine kleine Unachtsamkeit kann schon große Probleme bringen. Sachschäden, wie eine kaputte Vase sind da lästig, aber was passiert, wenn sich ihre Putzhilfe schwer verletzt? Wer schwarzarbeitet, kann sich nicht gegen Schäden versichern – das gilt dann insbesondere für Sachschäden – auf denen bleiben Nutzer mit hoher Wahrscheinlichkeit sitzen.
Damit werben viele Online-Putzdienst-Vermittler: Jeder kann Haushaltsdienste von der Steuer absetzen – da können im Jahr einige Euros zusammen kommen und rechnet man die Steuerersparnis gegen die Kosten einer illegalen Hilfe auf, kann manchmal ein legales Angebot sogar preiswerter sein.
Wird die schwarz-arbeitende Haushaltshilfe krank oder fährt in den Urlaub, sorgt sie in den seltensten Fällen für einen Ersatz. Den muss der Arbeitgeber sich selbst suchen und hoffen, dass das klappt. Wer Kunde einer Dienstleistungsfirma ist, kann sich sicher sein, dass das zum Service gehört.
Was diese nicht zu sehen bekommen sollten: Den größten Teil der per Überweisung eingegangenen (Schein-)Rechnungsbeträge reichten der Serbe und der Iraner in bar an die Chefs der Trockenbaufirmen zurück. Der Schaden für den Staat durch entgangene Lohn-, Körperschaft- und Gewerbesteuern und Sozialabgaben soll sich allein bei diesem Gangsterpaar auf schätzungsweise fünf Millionen Euro belaufen.
„Nirgendwo sonst können Sie so schnell und einfach Geld verdienen“, sagt Jörg Helmig vom Hauptzollamt Dortmund, „da sind pro Tag ohne großes Risiko 10 000 Euro drin.“ Helmig steuert als Sachgebietsleiter bei der FKS fast 180 Mitarbeiter. Das hört sich nach viel an, doch das Gebiet, das er betreut, reicht von Gelsenkirchen bis Siegen, ist nach Fläche und Einwohnerzahl deutlich größer als Berlin.
Was die Bauindustrie sagt
„Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie hat sich bereits 2004 mit den Tarifpartnern, dem Bundesfinanzministerium und der Finanzkontrolle in einem Bündnis zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung in der Bauwirtschaft zusammengeschlossen. Illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit sind ein gesellschaftliches Problem, das das Gemeinwesen nachhaltig beeinträchtigt. Es muss jedoch betont werden, dass der Einsatz von Subunternehmen in einer arbeitsteilig organisierten Wirtschaft normal und auch gewollt ist. Jeder soll das tun, was er am besten kann. (...) Zu den Servicefirmen: Arbeitnehmerüberlassung in die Bauwirtschaft ist nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht zulässig. Unternehmen, die dieses Verbot umgehen, sind kriminell und schaden den seriös agierenden Unternehmen.“
"Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit verharren auf einem unerträglich hohen Niveau. Das Ausmaß und die Erscheinungsformen von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung sind für unsere Mitgliedsbetriebe bedrohlich. Sie reichen von Bauleistungen ohne Rechnung bis zu mafiösen Strukturen, in denen mit hoher krimineller Energie gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen und Lohnsteuern, Sozialversicherungsbeiträge und Sozialkassenbeiträge hinterzogen werden. Unsere Mitgliedsbetriebe spüren dies täglich bei privaten wie öffentlichen Aufträgen. Wir fordern eine realistische Vergabepraxis insbesondere bei Großbaustellen und öffentlichen Auftraggebern, in der nicht automatisch das billigste Angebot den Zuschlag erhält. Bei der Vergabe einer Bauleistung an den billigsten Anbieter ist regelmäßig festzustellen, dass dieser mit Nachunternehmern bzw. sogar Nachunternehmerketten arbeitet. Am Ende einer solchen Nachunternehmerkette finden sich dann sehr oft illegale Beschäftigungsverhältnisse.“
Von Helmigs Truppe aufgedeckte Fälle landen vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Bochum. Bei einem davon ging es um die beiden türkischstämmigen Gerüstbauer M. und Y., die in Spitzenzeiten bis zu 400 Mitarbeiter auf 27 Baustellen beschäftigt hatten. Die Arbeitnehmer erhielten völlig legale Lohnabrechnungen, doch diese machten nur rund 30 Prozent ihres Einkommens aus – für rund 70 Prozent hieß es: Schwarz auf die Tatz. Das Gericht bezifferte den Schaden später auf 7,9 Millionen Euro, davon 3,9 Millionen Euro zulasten der Sozialversicherungen, 1,8 Millionen Euro zulasten der Sozialkasse des Gerüstbaugewerbes, 700 000 Euro hinterzogene Lohnsteuer und 1,6 Millionen Euro Schaden aus der Umsatzsteuervoranmeldung.