Schwarzbuch des Steuerzahlerbunds „Wir fordern eine Obergrenze für Abgeordnete“

Verpfuschte Bauvorhaben, überteuerte Prestige-Projekte, hohe Personalausgen: In seinem jährlichen Schwarzbuch prangert der Bund der Steuerzahler verschwenderische Ausgaben an – und fordert auch weniger Bundestagsmandate.

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Der Bund der Steuerzahler prangert in seinem Schwarzbuch verschwenderische Ausgaben an Quelle: dpa

Berlin Der „Solar-Presshai“ ist der Rolls Royce unter den Abfalleimern: Das matte Edelstahldesign der Luxus-Tonne ist mehrfach preisgekrönt, eine LED zeigt außen den Füllstand an, die Solarzelle auf dem Deckel spendet Strom für das integrierte Pressmodul. Weil so mehr Abfall hinein passt, muss der Presshai auch seltener geleert werden als eine normale Tonne, dachte sich die Stadt Köln – und bestellte gleich elf Stück der High-Tech-Eimer zum Preis von je 8000 Euro. Weniger Leerungen, weniger Kosten, so das Kalkül des Stadtmanagements. Doch die E-Tonnen müssen auch häufiger gewartet werden und brauchen stabilere Müllsäcke: Die Rechnung ging nicht auf. Inzwischen rechnen die Abfallbetriebe für jeden Presshai mit Mehrkosten von 2000 Euro pro Jahr – finanziert aus der Steuerkasse.

„Eine technische Spielerei, die sich die Stadt Köln sparen sollte“, meint dazu der Bund der Steuerzahler (BdSt). Für sein jährliches Schwarzbuch „Die öffentliche Verschwendung“ hat der Verein erneut 118 exemplarische Fälle von Steuerverschwendung gesammelt und dokumentiert. Dabei geht es nicht nur um vergleichsweise kleine Beträge wie in Köln, die mit wenigen Zehntausend Euro zu Buche schlagen, sondern auch um Milliarden. Bei der Präsentation des Berichts in Berlin am Donnerstag sagte der BdSt-Präsident Reiner Holznagel: „Wir müssen dafür sorgen, dass es eine verbesserte Ausgabenkultur gibt.“

Ein gesondertes Kapitel widmet der Steuerzahlerbund den Fehlschlägen im sogenannten „E-Government“. Dabei geht es um die Digitalisierung von Verwaltungsaufgaben wie Passanträgen oder Ummeldungen, die gehörig schief gelaufen sind. Das wohl prägnanteste Beispiel ist hier die elektronische Gesundheitskarte, die auch mehr als elf Jahre nach ihrer Einführung nicht richtig genutzt werden kann. Nicht einmal die Adresse des Patienten, die auf der Karte gespeichert ist, lässt sich derzeit ändern. Und das, obwohl mehr als eine Milliarde Euro in das Projekt investiert wurden. Angesichts weiterer Milliarden, die in den nächsten Jahren investiert werden sollen, sagte Holznagel: „Wenn der Staat von Digitalisierung redet, muss der Steuerzahler das als Bedrohung empfinden.“

Ein weiteres Sonderkapitel wert waren auch die schlecht geplanten Bauvorhaben in Berlin – den Pannenflughafen BER führt der Steuerzahlerbund schon gar nicht mehr in seiner Negativliste auf. Dafür werde beispielsweise die Erweiterung des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses im Berliner Regierungsviertel, wo ein Teil der Bundestagsabgeordneten untergebracht ist, wohl um 46,6 Millionen Euro teurer als geplant. Auch der Bau des neuen Hauptstadtviertels „Europacity“ nördlich des Hauptbahnhofs wird teurer: So kostet allein die Fußgängerbrücke über die Spree, die für das Quartier geplant ist, rund eine Million Euro mehr als ursprünglich vorgesehen.

„Zudem ist der neue Bundestag mit mehr als 700 Abgeordneten unverhältnismäßig groß“, so Holznagel. Allein dadurch entstünden in der aktuellen Legislaturperiode Mehrkosten in Höhe von 75 Millionen Euro. Kosten für Büroräume seien da noch nicht eingerechnet. „Wir fordern  eine Obergrenze für Abgeordnete“, so Holznagel.

Ein vernichtendes Urteil stellt der BdSt auch dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) aus: „Das Bamf war zu schlecht auf die massenhafte Bearbeitung von Asylanträgen vorbereitet“ und habe infolgedessen millionenschwere Zusatzkosten verursacht, heißt es im Schwarzbuch. Den Grund dafür sehen die Steuerwächter vor allem bei den „hastigen politischen Entscheidungen“ der Bundesregierung im Sommer 2015: „Die Flüchtlingskrise hatte sich schon lange angekündigt.“

Doch weil die Verwaltung auf die vielen Asylbewerber nicht eingestellt war, seien insgesamt sieben Beratungsgesellschaften damit beauftragt worden, Optimierungspotenziale zu finden. Wegen der Eilbedürftigkeit wurden die Aufträge nicht ausgeschrieben, sondern direkt vergeben. Kostenpunkt: rund 34,2 Millionen Euro.

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